Literaturkritik im Netz – Der Podcast Papierstau

Es gibt viele deutsche Literatur-Podcasts. Manche werden von Institutionen, andere von Privatpersonen produziert, manche sind auf Teilgebiete der Literatur, etwa einzelne Genres wie Fantasy oder Krimi, spezialisiert, andere haben einen umfassenderen Anspruch.

Ein Podcast ist eine Serie von meist abonnierbaren Mediendateien (Audio oder Video) über das Internet. Oft sind es TV- oder Radiosendungen, die man zeitversetzt auf dem Computer oder MP3-Player anschauen oder anhören kann. Daneben gibt es eine Reihe von Podcasts, die nur für die zeitunabhängige Nutzung produziert werden.

Einer der größten Literatur-Podcasts in Deutschland heißt „Papierstau“ und wird u.a. im Saarland produziert. In der Selbstbeschreibung heißt es: „Papierstau Podcast ist eine unabhängige, privat produzierte Show von und für Literaturliebhaber*innen. Hier gibt es Neuigkeiten und Debatten aus der Welt der Literatur sowie Buchtipps auf die Ohren.“

„Papierstau“ kann abonniert werden über Streamingdienste wie Spotify, Apple Podcasts, Android und RSS. Die Inhalte sind aber auch über papierstaupodcast.de frei verfügbar. Den Podcast gibt es seit 2016, mittlerweile (Juni 2020) sind über 140 Folgen (inclusive Specials und Interviews) abrufbar. Auf Spotify gehört die Show zu den Top-Literaturcasts, vor fast sämtlichen öffentlich-rechtlichen Angeboten. (Der SR verfügt übrigens über keine eigenen Belletristik-Podcast, nur einen zur Sachbuchsendung „Fragen an den Autor“, ein Link führt zur Deutschlandfunk-Sendung „Andruck“, einem Magazin für politische Literatur.)

Anika Falke

Die drei jungen Macherinnen und Macher sitzen an verschiedenen Orten, Robin Schneevogt, der Initiator und Redaktionsleiter, in Münster, Anika Falke in Hannover und Meike Stein in Saarbrücken. Die geographische Entfernung ist kein Hindernis für einen beständigen redaktionellen Austausch. Jeder hat seine Schwerpunkte. Robin Schneevogts Schwerpunkte liegen bei „Misfit-Literatur, Gesellschaftskritik, Avantgardismus“, Anika Falke nennt: „Zeitgenössische Literatur, Realistische Literatur, Sachbücher (Gesellschaft, Soziales)“, bei Meike Stein sind es: „Postmoderne Literatur, Internationale Literatur, Politisches Sachbuch“.

Meike Stein

Die Auswahl der Literatur und die Art der Präsentation sind betont jugendlich, getragen vom Enthusiasmus der Macher. Selbstbeschreibung: „Wöchentlich stellen wir drei Bücher vor, geben profunde Einblicke in Inhalte und Hintergründe der Werke und diskutieren diese mit Leidenschaft und viel Liebe zum Detail. Die Bandbreite reicht von aktuellen Neuerscheinungen über bekannte Klassiker bis hin zu ‚versteckten Schätzen‘. Im Fokus stehen vor allem junge, mutige Debüts, internationale Neuerscheinungen und Bücher, die Leser*innen durch formelle Innovationen und außergewöhnliche Inhalte herausfordern. Spezialfolgen zu besonderen Anlässen sowie Autor*inneninterviews runden das Portfolio des Podcasts ab.“

Robin Schneevogt

In Folge 103 vom Mai 2020 beispielsweise spricht das Trio in lockerem Ton über folgende Bücher: “Die rechtschaffenen Mörder” von Ingo Schulze, “Sie hat Bock” von Katja Lewina und “Stern 111” von Lutz Seiler; in Folge 104 vom Juni wird französische Literatur besprochen mit Titeln wie „Das Leben des Vernon Subutex“ von Virginie Despentes, „Elementarteilchen“ von Michel Houellebecq und „Die 120 Tage von Sodom“ vom Marquis de Sade.

Bei einem Treffen mit der Saarbrücker Mitarbeiterin Meike Stein erfahren wir: Sie hat Medienwissenschaft (Hauptfach), Politikwissenschaft und Anglistische Literaturwissenschaft studiert und hat als Referentin in einem saarländischen Ministerium beruflich nichts mit Literatur zu tun. Aber sie war immer schon ein Literaturfreak, liest unheimlich viel und tauscht sich gern über ihre Lektüreerfahrungen mit anderen aus. Zunächst hat sie auf Englisch Buchbesprechungen für die Website „goodreads“ geschrieben, dort wurde sie von Robin Schneevogt entdeckt und ist seit Folge 69 bei „Papierstau“ dabei. Kommerzielle Interessen werden mit dem Podcast nicht verfolgt. (RP)