Sonja Ruf

geb. 10. April 1967 in Pforzheim

Ruf, Sonja - Foto Franziska Ruf

Ruf, Sonja – Foto Franziska Ruf

Von 2012 bis 2023 wohnt Sonja Ruf in Saarbrücken. Durch den Zuzug der aus dem Schwarzwald stammenden Autorin wird die saarländische Literaturlandschaft um ein Element bereichert, das ihr gefehlt hat: Erotik in der Literatur, und zwar aus weiblicher Sicht. Inzwischen ist Sonja Ruf nach Bremen gezogen.

Sonja Ruf wächst im Dorf Schömberg im Nordschwarzwald auf. Früh fasst sie den Vorsatz, Schriftstellerin zu werden. 1986 legt sie am Kepler-Gymnasium in Freudenstadt das Abitur ab. Schon als Schülerin ist sie Mitherausgeberin einer Dokumentation von Jugendinitiativen zum Naturschutz. In Stuttgart absolviert sie eine Ausbildung zur Verlagsbuchhändlerin. In Frankfurt am Main nimmt sie pro forma ein Studium der Mittleren und Neueren Geschichte auf.

Starterfolg

Nach Publikationen in Zeitschriften und Anthologien findet Sonja Ruf 1996 mit ihrer ersten eigenständigen Buchveröffentlichung Aufmerksamkeit in der literarischen Öffentlichkeit. Der Roman „Evas ungewaschene Kinder“, erschienen im angesehenen Schweizer Verlag Nagel & Kimche, wird von der Kritik wahrgenommen und wohlwollend beurteilt. Sie wird – was an sich schon eine Auszeichnung ist, auch wenn sie keinen Preis erhält – nach Klagenfurt zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb eingeladen. Der Roman erscheint später als Taschenbuch bei dtv.

Sonja Ruf sieht sich ermutigt, ihren Kindheitstraum zu verwirklichen, und wird freie Schriftstellerin. Sie wohnt ab 2001 in Darmstadt, ab 2005 in Leipzig, ab 2009 in Bad Neustadt an der Saale, arbeitet als Lektorin, Erzieherin, Ghostwriterin, Lokaljournalistin, Postausträgerin, Dramaturgin, in Anwaltsbüro, Geschichtsverein, Buchhandlung und Versandbuchhandlung. Seit 1994 ist sie äußerst erfolgreich in der Bewerbung um Stipendien und Arbeitsaufenthalte, es sind im Lauf der Jahre mehr als zwanzig. Zu Beginn des Jahrtausends findet sie ihre literarische Heimat im Tübinger Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, zu dessen Schwerpunkten die erotische Literatur zählt (Jahrbuch „Mein heimliches Auge“, Sonderreihen für Lesben und Schwule).

2012 zieht Sonja Ruf nach Saarbrücken, wo ihr Mann, der Lehrlogopäde und Lautpoet Karl-Heinz Heydecke, eine Stelle gefunden hat. Sie macht eine Ausbildung zur Erzieherin und arbeitet in Teilzeit in einer Saarbrücker Grundschule.

In Thüringen, wo sie sich 2014 als Kurd-Laßwitz-Stipendiatin aufhält, entdeckt Sonja Ruf, „dass etwas Gotha und meinen Wohnort Saarbrücken verbindet, nämlich die ‚Lady Di des 19. Jahrhunderts‘. In Sankt Wendel, einer kleinen Stadt in der Nähe von Saarbrücken, steht die Bronzeplastik einer Frau auf der Rathaustreppe: Es ist Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg.“ ( Herzogin Luise)

Erotik

Was Kritikern an Sonja Rufs Büchern von Anfang an auffällt: die völlig unbefangene Art, über Sex zu schreiben, und der leichte Stil.

Ihre Romane und Erzählungen enthalten immer wieder Beschreibungen von Sex, vorgetragen mit großer Selbstverständlichkeit, ohne Schwulst und ohne Verklemmung, aber mit großer Sinnlichkeit. In immer neuen Anläufen beschwört sie die Magie körperlicher Begegnung herauf. Sie feiert die Schönheit der Körper, weiblicher wie männlicher, widmet dem weiblichen Orgasmus eingehende Beschreibungen. In einer Erzählung des Bandes „Die Liebenden von Starbitz“ heißt es: „Karoline und ich glauben, dass die Natur uns mit einer besonderen Zähigkeit ausgestattet hat, fast so etwas wie einem Fatalismus, wir überlassen uns dem Orgasmus wie einer Nordseewelle, die uns von den Füßen holt, einmal kopfüber herumwirft und dann wieder auf die Füße stellt.“

In der Darstellung von Erotik vermisst sie, auch bei den Klassikern, die weibliche Perspektive. So gilt ihr Augenmerk dem Begehren der Frauen. Der Anblick des fremden Körpers trifft die Figuren ihrer Erzählungen aus heiterem Himmel. Aber die gelingende körperliche Vereinigung ist keine Garantie für eine dauerhafte Beziehung, in der Folge komplizieren sich die Dinge, die Liebe und der Sex laufen nicht synchron.

Sex ist in Ronja Rufs Büchern nicht unbedingt eine Beziehung von Frau zu Mann, öfter noch sind es Beziehungen zwischen zwei Frauen. Die aber ihrerseits offen für die Liebe zwischen den Geschlechtern sind, wie im Roman „Die Frau im Fels“, in dem eine Protagonistin sich nach einer sadomasochistischen Episode mit einer Frau einem Mann zuwendet.

Leichtigkeit

Das zweite bemerkenswerte Kennzeichen dieser Prosa ist der Stil. In seiner Kritik zu „Sprungturm“ lobt „Zeit“-Kritiker Ulrich Greiner, hier sei alles „so leicht und so schön hingetupft“. Die durchgehende Leichtigkeit und Einfachheit der Sprache ist allerdings, wie die Autorin betont, das Ergebnis harter schriftstellerischer Arbeit. In ihrem Gotha-Buch erläutert sie: „Eine Schriftstellerin muss bereit sein, ihr Werk immer wieder und wieder zu überarbeiten. Sie genießt den kreativen Flug und scheut sich nicht vor der Mühe. Die Mühe jedoch muss dem Werk am Ende ausgetrieben werden, denn, wo es nach Mühe aussieht, da ist der Autor gescheitert.“

Dabei bleibt der Stil von Sonja Rufs Prosa bildhaft, anschaulich, sinnlich und zweifellos poetisch.

Ihren größten Verkaufserfolg erzielt die Autorin nicht mit erotischer Literatur, sondern mit einem Roman über das Leben mit einem Alkoholiker. Da „Der kluge Säufer“ auf wahren Erlebnissen basiert, hat sie es zum Schutz Betroffener unter dem Pseudonym Franziska Steinrauch veröffentlicht.

„Casino Rosental“ ist ein Roman, den sie sie aus den Beiträgen von 16 Teilnehmern eines Schreibkurses zusammengebaut hat.

Eine wichtige Quelle für ihre Literatur ist das Tagebuch, das sie seit Kindheitstagen führt. Hier notiert sie eigene und fremde Erlebnisse. „Ich bleibe immer gern ganz nah an meinem eigenen Leben, und meine Heldinnen sind auch immer ungefähr in meinem Alter“, hat sie dem SR-Fernsehen gesagt („Wir im Saarland – Kultur“, 16.10.2019). Mit dem Wandel der eigenen Bedürfnisse und Interessen wandelt sich auch Sonja Rufs Literatur. 2019 veröffentlicht sie mit „Mallows oder Katzengrütze“ ihr erstes Kinderbuch (empfohlenes Alter: 8 bis 10 Jahre). Und 2020 erscheint, wieder im Konkursbuch-Verlag, unter dem Titel „Im Glanz der Kontrolle“ ein Roman über Menschen, die sich in der zunehmend online gesteuerten Welt nicht mehr zurechtfinden, unter Mobbing und Burnouts leiden – aber natürlich spielt auch in diesem Roman die Liebe immer noch eine Rolle. (RP)