Philipp Jakob Siebenpfeiffer

geb. 12. November 1789 Lahr/Schwarzwald, gest. 14. Mai 1845 /Bümpliz bei Bern (Schweiz)

Ölgemälde

Porträt von Helmut Collman

Siebenpfeiffer – ein saarpfälzischer Wegbereiter für die Freiheit mit literarischen Ambitionen

„Singst du das Lieder Freiheit, / gleich stimmet der Völker jubelnder Chor ein“: Eine zu seinen Lebzeiten weit verbreitete Lithographie zeigt unter dem Porträt von Philipp Jakob Siebenpfeiffer diese beiden handschriftlich hinterlassenen Zeilen. Das Zitat steht in zweierlei Hinsicht für zwei seiner Charakterzüge: zum einen für den noch der Romantik und dem Biedermeier verhafteten Zeitgeist, zum anderen für seine konsequent liberale Gesinnung, die fest im deutschen Vormärz verhaftet und als Vorläufer des Jungen Deutschland anzusehen ist.

Siebenpfeiffer ist 1789 im heute badischen Lahr geboren, das damals noch zu Nassau-Saarbrücken gehörte. Sein Großvater, der Schneidermeister Johannes Theobald Siebenpfeiffer (1731-1766), hatte seine Heimatstadt Saarbrücken um 1755 verlassen, um sich in Lahr niederzulassen. Seine Eltern Philipp Jakob Siebenpfeiffer, ebenfalls Schneider von Beruf (geb.1761), und dessen Ehefrau Catharina Dorothea Bittenbring (geb. 1764) starben – vermutlich an den „Blattern“ (Pocken) Ende 1799 binnen weniger Wochen. Mit gerade zehn Jahren Vollwaise, kam Philipp Jakob Siebenpfeiffer junior in die Obhut von Verwandten.

Nach Beendigung der Schule fand er am 15. Februar 1804 mit 14 Jahren eine Anstellung als „Oberamtsschreiberincipient“ in seiner Heimatstadt. Im Mai 1807 wurde Siebenpfeiffer zum „Oberamtsactuar“ befördert, im Oktober 1808 wurde er als „Renovator“ und „Berains-Commissaire“ an die Finanzverwaltung in Freiburg im Breisgau versetzt. Ab dem darauffolgenden Jahr konnte er – finanziell durch ein Stipendium seines Arbeitgebers unterstützt – ein Jura-Studium an der Universität Freiburg beginnen. Dort traf er mit zwei Persönlichkeiten zusammen, die seinen weiteren Werdegang nun ganz entscheidend beeinflussen sollten: die Gelehrten Carl Wenzeslaus von Rotteck und Joseph Maria Weissegger von Weißeneck. Während die liberalen Auffassungen des ersten seine Weltanschauung nachhaltig prägen sollten und beide eine lange und innige Freundschaft verband, wurde der zweite Freiburger Professor nicht nur sein Doktorvater. 1814 heiratete Siebenpfeiffer dessen Tochter Emilie, nachdem er 1813 erfolgreich sein juristisches Staatsexamen bestanden und sein Studium mit einer Promotion beendet hatte.

Aus der historischen Perspektive überraschend, aber durchaus dem Zeitgeist entsprechend ist Siebenpfeiffers Antipathie Napoleon gegenüber. Nachdem er sich bereits 1806 einem „Bund gegen die Tyrannenherrschaft Napoleons“ angeschlossen hatte, äußerte er sich am 6. Februar 1814 in einem Brief an Rotteck ganz euphorisch über den Untergang der napoleonischen Herrschaft: „Euer Hochwohlgebohrn / theile ich in der Anlage ganz zitternd vor Freude die offizielle Nachricht mit von dem großen von den Alliierten erfochtenen Siege“. Und einige Zeilen weiter: „Freuen sie sich mit mir, wie alle guten Deutschen – Fluch den Napoleonen!“.

Nach Homburg

Zunächst profitierte Siebenpfeiffer nicht unerheblich von den neuen Verhältnissen. Im Januar 1814 trat er eine Stelle beim „Österreichischen Generalgouvernement“ in Colmar an, einer Art Besatzungsbehörde im Oberelsass. Es folgte eine regelrechte Odyssee, in deren Verlauf er zahlreiche Verwaltungstätigkeiten in Diensten der bayerisch-österreichischen Landesadministration ausübte. Kreuznach, Trier – wo er engagiert die Amtsenthebung des Bischofs Charles Mannay betrieb, der als überzeugter Anhänger Napoleons galt – und Ottweiler, Landau, Speyer, Frankenthal waren die Stationen seines Nomadendaseins als Verwaltungsbeamter, das ihn 1818 ins pfälzische Homburg führte. Der Rheinkreis war gerade in ein Dutzend „Landcommissariate“ eingeteilt worden, Siebenpfeiffer wurde jenes an der Grenze zu Preußen zugeteilt.

Von Homburg aus – heute Saarpfalz-Kreis, Saarland – hatte er 79 Gemeinden mit etwa 40.000 Einwohnern zu verwalten. Die erste Hälfte seiner Amtszeit als „Landcommissär“ (Landrat) war geprägt durch eine erste Stabilisierung nach den Umwälzungen und Kriegen infolge der Französischen Revolution und der napoleonischen Herrschaft, zumal die Folgen der so genannten „Freiheitskriege“ nach wie vor virulent waren. Krisen wie etwa Missernten, Hungersnöte, Epidemien sowie nicht zuletzt die Rezession der Wirtschaft veranlassten ihn, bei der Regierung des Rheinkreises um Unterstützung und Gegenmaßnahmen nachzusuchen. Er scheute sich auch nicht, direkt bei den beiden bayerischen Regenten seiner Amtszeit, Max I. Joseph (bis 1825) und Ludwig I., auf Reformen zu drängen, zumal „hausgemachte“ Probleme wie Zollbestimmungen oder die maßlose Ahndung der Forstvergehen die Krisen verschärften. Siebenpfeiffer selbst setzte Akzente im flächendeckenden Neubau von Schulen, im Ausbau der Verkehrswege und in der Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Und er publizierte: 1818 eine Art Bestandsaufnahme unter dem Titel “Über Gemeindegüter und Gemeindeschulden”, 1823 erschien das nicht minder aus eigenen Erfahrungen und eigener Praxis motivierte Buch “Über die Frage unserer Zeit in Beziehung auf Gerechtigkeitspflege”.

Schöngeistiges

Aber auch auf schöngeistigem Terrain versuchte sich der Landcommissär mit der Feder. „Baden-Baden oder Rudolph und Helmina“ nannte er sein voluminöses „Episches Gedicht in zwölf Gesängen“, das bei Georg Ritter in Zweibrücken erschien: eine Reisebeschreibung, durchwoben von einer Verwechslungsromanze zweier Liebespärchen, die sich in Baden abspielt und in der autobiografische Ansätze ebenso wenig verkennbar sind wie eine gehörige Portion Heimweh. Nicht zu überhören sind auf den 445 Seiten aber auch Untertöne der Resignation. Das Werk fand freilich keine sonderliche Resonanz, auch die zeitgenössische literarische Kritik war größtenteils negativ.

Die Veränderung und Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, die sich Siebenpfeiffer aufs Panier geschrieben hatte, kamen indes nicht von der Stelle, sein eigenes Engagement in dieser Hinsicht sah er ohne greifbare Erfolge, ohne Fortschritte. Hatte er schon 1821 in einem Anflug von Frustration an Rotteck geschrieben: „Was liegt der Welt an den Erzeugnissen des Westrich?“, und hatte er 1823 hinzugefügt: „Mein Herz ist trocken“, so deutete sich in seinem lyrischen Debüt aber erstmals auch der Oppositionelle Siebenpfeiffer an: „Krank der Adel, es bäumt sich der Esel, worauf er geritten“ oder: „Krank auch mancher Regent aus Furcht vor dem Fieber der Freiheit“, heißt es an einer Stelle beispielsweise.

Gleichwohl kommt die so artikulierte Kritik über den Ansatz nicht hinaus. Vielmehr ist es die biedermeierliche Betonung des Privatlebens und der Glücksfindung im persönlichen Bereich, von denen die Verse dominiert werden und die auch Siebenpfeiffers folgende Homburger Jahre wesentlich prägen sollten. Mit zu diesem Schritt beigetragen haben mag wohl auch der Nachwuchs, der sich bei Siebenpfeiffers einstellte. Am 19. Juli 1826 wurde die Tochter Cornelia geboren.

Noch präsentierte sich Siebenpfeiffer als loyaler Diener seines Herrn, revolutionäre Ambitionen waren bei dem Homburger Landcommissär, der 1827 zu den Nestoren des Central-Musikvereins der Pfalz in Kaiserslautern zählte, nicht auszumachen. In Homburg unterhielt Siebenpfeiffer eine weitläufige Gartenanlage mit großem Obstbaumbestand und Weinberg, die wegen Vorbildlichkeit preisgekrönt wurde. Als der bayerische König Ludwig I. im Sommer 1829 Visite in der Pfalz und dabei auch in Siebenpfeiffers Zuständigkeitsbereich Station machte, hatte dieser auf das Königspaar eigens schwülstig-pathetische Lobgedichte verfasst. Freilich brodelte es unter der Oberfläche schon merklich, zumal Siebenpfeiffer mit der Zensur Bekanntschaft gemacht hatte. Unter Pseudonym hatte er für das offiziöse Blatt „Inland“ mehrere Artikel verfasst. Während jene, in denen er sich über Ackerbau und Viehzucht ausließ, wenigstens noch abgedruckt wurden, fielen seine politischen Forderungen – die er zuvor schon in Briefen an den bayerischen König und seine Behörden artikuliert hatte und die ohne Reaktion geblieben waren – der Schere zum Opfer.

Mit journalistischen Mitteln

Die Julirevolution des Jahres 1830 in Frankreich war für ihn Anlass, seinen schon länger gefassten Plan umzusetzen, mit journalistischen Mitteln die Missstände anzuprangern. Im Herbst 1830 erschien die Erstausgabe seiner Zeitschrift „Rheinbayern“, in der unter der scheinbar loyalen Überschrift „Nur keine Revolution in Deutschland“ die Dinge beim Namen genannt wurden. Siebenpfeiffer wurde sofort von seinem Amt als Landcommissär suspendiert; einer Versetzung in das schwäbische Kaisheim, wo er als Zuchthausdirektor arbeiten sollte, widersetzte er sich. Stattdessen setzte er nun alles auf die journalistische Karte, bot mit seinen Blättern „Rheinbayern“ und „Der Bote aus Westen“ der erstarkenden liberalen Opposition in der Pfalz wirkungsvolle Sprachrohre.
Zu Jahresbeginn 1832 verließ Siebenpfeiffer seinen bisherigen Wirkungskreis in der Saarpfalz, um sich im ostpfälzischen Oggersheim niederzulassen. In seiner Druckerei in der Schillerstraße 10 produzierte er seine nunmehr in „Westbote“ umbenannte Zeitung. „Rheinbayern“ erschien fortan unter dem Titel „Deutschland“ – ein Beleg dafür, dass Siebenpfeiffer seinen Wirkungskreis nicht mehr allein auf die Pfalz beschränkt sehen wollte. Stets war der Kampf für „Preßfreiheit“ Thema in seinen Zeitungen und Artikeln. Wie ein roter Faden zieht sich das kompromisslose Engagement für die Freiheit der Presse durch die verschiedenen Publikationen – seien es die Zeitungen, seien es die Flugschriften, die im Falle der Zensur als Ausweichmedium dienten.
Die Entwicklung eskalierte, als unter Mitwirkung Siebenpfeiffers am 29. Januar 1832 im Rahmen eines Festbanketts für den Landtagsabgeordneten Friedrich Schüler in Zweibrücken der „Deutsche Vaterlandsverein zur Unterstützung der freien Presse“ („Preßverein“) gegründet wurde. In kurzer Zeit dehnte sich diese politische Organisation über ganz Deutschland aus, rund 5000 Menschen traten ihr bei. Selbst in Paris fanden die Ziele des Vereins große Resonanz, Emigranten wie die Schriftsteller Heinrich Heine und Ludwig Börne verfolgten die Ereignisse in der Saarpfalz mit großen Erwartungen.

Hambacher Fest

Buntzeichnung wie Menschen zum Schloss marschieren

Die zahlreichen „Festbankette“, die von der demokratischen Bewegung speziell in der ersten Hälfte 1832 gefeiert wurden – unter dem Deckmantel der Geselligkeit bestand allein die Möglichkeit, sich politisch zu artikulieren und zu organisieren –, ließen die Idee eines großen „Nationalfestes“ reifen. Siebenpfeiffer brachte im Januar 1832 erstmals eine solche Demonstration öffentlich ins Spiel. Als Schauplatz schlug er zunächst Kaiserslautern vor. Es kam schließlich Ende Mai an der Hambacher Schlossruine zu der machtvollen, letztendlich aber wirkungslosen Demonstration. Zwischen 30.000 (Polizeiangaben) und 60.000 (Siebenpfeiffer) wird die Zahl der Teilnehmer geschätzt. In zahlreichen Reden wurden, mehr oder weniger radikal, Freiheit, Demokratie, ein deutscher Nationalstaat oder auch ein vereinigtes demokratisches Europa gefordert. Siebenpfeiffer selbst hatte das Eröffnungslied gedichtet, das im Stil der „Marseillaise“ zum Erkennungs- und Kampfgesang der Bewegung von Hambach wurde. ZITAT

schwarz weiß Zeichnung mit Blick auf das Schloss

Hambacher Volksfest

Siebenpfeiffer war nicht nur Initiator und Mitorganisator des Hambacher Festes, er war auch einer der wichtigsten Redner. Literarisch und rhetorisch brillant war insbesondere jene Passage, in der er, nach dem Vorbild der Bergpredigt, seine Ideale in eine Zukunft projiziert, in der die liberalen Forderungen und Vorstellungen Wirklichkeit geworden sind: „Es wird kommen der Tag, wo, abschüttelnd das Joch des Gewissens, der Priester Trug und den eigenen Irrwahn, der Deutsche zu seinem Schöpfer die unverfälschte Sprache des Kindes zum Vater redet“, oder: „Es wird kommen der Tag, wo der Bürger nicht in höriger Unterthänigkeit den Launen des Herrschers und seiner knechtischen Diener, sondern dem Gesetze gehorcht“. Dazwischen fiel auch jene Sentenz, in denen er seine Vision der Gleichberechtigung von Mann und Frau zum Ausdruck brachte. Siebenpfeiffer sagte: „Es wird kommen der Tag, wo das deutsche Weib nicht mehr die dienstpflichtige Magd des herrschenden Mannes, sondern die freie Genossin des freien Bürgers unseren Söhnen und Töchtern schon als stammelnden Säuglingen die Freiheit einflößt.“

Die Wortführer der Demonstration, die untereinander schon vor dem Hambacher Fest zerstritten waren, kamen in einer nachbereitenden Sitzung zu keinem Ergebnis, was die weitere Vorgehensweise anbelangt. „Jeder solle auf eigene Faust handeln“, war die einzig greifbare Devise, die ausgegeben wurde. Das Fehlen einer konzertierten Strategie ließ der Obrigkeit viel Spielraum zum Eingreifen. In den folgenden Wochen wurden die Redner der Reihe nach verhaftet, nur wenigen – wie etwa Friedrich Schüler und Joseph Savoye – gelang die Flucht ins sichere Ausland.

Am 18. Juni 1832 wurde Siebenpfeiffer in Haardt festgenommen, nach mehr als einem Jahr im Gefängnis begann in Landau der spektakuläre „Assisenprozess“ gegen die Hambacher Akteure. An dessen Ende stand der sensationelle Freispruch durch das Geschworenengericht, obwohl die Zusammensetzung der Geschworenen auf Anweisung des bayerischen Königs zu Ungunsten der Angeklagten manipuliert worden war. Der Freispruch bedeutete für die Hambacher Akteure aber nicht in jedem Fall auch die Freiheit. Siebenpfeiffer wurde dem Zuchtpolizeigericht Frankenthal überstellt, das ihn wegen „Beamtenbeleidigung“ zu zwei Jahren Haft verurteilte. Mit Hilfe von Freunden konnte Siebenpfeiffer am 14. November 1833 aus dem Gefängnis ausbrechen und über das Elsaß in die Schweiz fliehen. Er erhielt nicht nur Asyl, sondern auch eine Anstellung an der Universität Bern als außerordentlicher Professor für Straf- und Staatsrecht. 1835 starb Siebenpfeiffers Ehefrau. Ab 1841 machten sich bei ihm erste Anzeichen seiner Geisteskrankheit bemerkbar. Bald darauf musste er in die Heil- und Pflegeanstalt Bümpliz bei Bern eingewiesen werden. Dort starb er im Alter von 55 Jahren am 14. Mai 1845. Politische oder literarische Zeugnisse seiner Exilzeit sind nicht bekannt.

In Homburg ist eine Straße nach Siebenpfeiffer benannt, eine Stiftung pflegt sein ideelles Erbe. (MB)