Mohammed Ghodstinat

geb. 6. Jan. 1943 in Teheran, gest. 27. Juli 2019 in Dillingen/Saar

Mohammed Ghodstinat ist ein aus Persien stammender Autor, der seit Jahrzehnten in Dillingen/Saar wohnt und in seinen Prosaveröffentlichungen in deutscher Sprache die eigene Blindheit zum Thema macht. Für sein soziales Engagement wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Ghodstinats Doktorarbeit von 1979 ist folgender Lebenslauf beigefügt: „Am 6. Januar 1943 wurde ich in Teheran geboren. Schon in meinem zweiten Lebensjahr übersiedelten meine Eltern in eine 960 km von Teheran gelegene Provinzhauptstadt Mesched. Im Alter von drei Jahren erblindete ich an meinem rechten Auge nach einer Operation; durch dessen Infektion verlor ich allmählich auch das Sehvermögen des linken Auges, so dass ich mit sechs Jahren vollblind wurde. Da es in der genannten Provinzhauptstadt keine Blindenschule gab, und da meine Eltern über die Blindenerziehung nicht informiert waren, blieb ich bis zu meinem fünfzehnten Lebensjahr Analphabet und verbrachte ein reizarmes Leben (abgesehen von der Beschäftigung mit dem Radio wurde mir manchmal von Freunden vorgelesen). Erst im Alter von fünfzehn Jahren erfuhr ich von der Existenz einer Blindenschule in Teheran, in welcher ich unmittelbar danach Aufnahme fand. Leider konnte ich hier den Unterricht nur drei Jahre genießen, da die betreffende Schule geschlossen wurde […] Um mir dennoch die Weiterbildung zu ermöglichen, reiste ich im Dezember 1962 nach Österreich, wo ich nach der Erlernung der deutschen Sprache zunächst das Wiener Blindeninstitut und anschließend, nach einem zwecks der Aufnahmeprüfung erforderlichen Vorbereitungslehrgang, das 9-semestrige Realgymnasium für Berufstätige absolvierte. Im Juni 1970 bestand ich in Wien die Hochschulreifeprüfung. Im Oktober des gleichen Jahres wurde ich an der Philipps-Universität Marburg für das Fach Anglistik immatrikuliert, was mich veranlasste, im Sommersemester 1971 an der Universität Bristol (England) zu studieren; 1971 nahm ich das Studium der Erziehungswissenschaften und der Soziologie auf, welches ich im Juni 1976 mit der Diplomprüfung abschließen konnte. Seit 1974 befasse ich mich hauptsächlich mit den Problemen der Blindenintegration.“

1979 promoviert Ghodstinat in Marburg mit einer Arbeit über „Blinde Studenten, ihre Probleme und ihre gesellschaftliche Stellung“. 1981 zieht er, inzwischen mit einer Deutschen verheiratet und zweifacher Vater, ins Saarland, wo er bei der Arbeiter-Wohlfahrt eine Stelle findet. Nach einem kurzen Intermezzo in Saarbrücken wohnt Ghodstinat seit 1982 in Dillingen.

1987 veröffentlicht er ein „Märchenbuch für Erwachsene“ unter dem Titel „Der blinde Geigenspieler“. 1997 erscheint im saarländischen Gollenstein-Verlag sein autobiographischer Roman „Das blinde Kind“. Hier schildert er seine Kindheit bis zu dem Moment im Frühjahr 1958, als er sich von seiner Familie verabschiedet, um die Blindenschule in Teheran zu besuchen. Der Besuch dieser Schule wie auch das Studium in Wien wurden von einem wohlhabenden Onkel finanziert. Das Buch beschreibt anschaulich das Leben einer persischen Familie in jener Epoche, die Blindheit des Autors ist dabei nur ein Thema unter anderen; er zeigt, dass diese Behinderung ihm nicht die Lebensfreude genommen hat und er sich dem Fatalismus seiner Umgebung entgegenstemmt. ZITAT

2003 schreibt Mohammed Ghodstinat unter dem Titel „Dastanhai Noruzi“ Frühlingsgeschichten auf Persisch.

Nicht ausgefüllt von der Arbeit bei der Arbeiter-Wohlfahrt, gründet Ghodstinat 1992 die private Hilfsorganisation „Die Initiative – Hilfe für Einzelschicksale“. Für sein soziales Engagement erhält er 2009 die „Saarländische Ehrennadel“, 2012 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 2017 den von Ursapharm gestifteten Felix-Koßmann-Preis „für besondere Verdienste um die humane Behandlung von Patienten“. (RP)