Manfred Römbell

geb. 3. Dezember 1941 in Friedrichsthal-Bildstock, gest. 21. Juni 2010 in Saarbrücken

helles schwarz weiß Portrait des Autors

Foto: Raymond Odermatt

Ein Autor, der mit der so genannten „Rotstraßen“-Trilogie eines der raren Werke vorgelegt hat, die – subjektiv gespiegelt – eine ganze Epoche saarländischer (Zeit-)Geschichte erzählerisch abhandeln.

Manfred Römbell veröffentlicht seit Anfang der 1970er Jahre satirische, oft gesellschaftskritische Kurzprosa. „Durch die Verwendung sprichwörtlicher und alltäglicher Redewendungen in anderen Sinnzusammenhängen, die Verfremdung des Amtsstils, durch die Technik einer bewusst absurden Beweisführung gelang es ihm, eine unterkühlte Modernität des Stils zu erreichen, hinter der skurrile Komik und manchmal auch humorvolle Wärme hervortritt.“ (Karl August Schleiden) Buchtitel wie „Richtig lebendig wird es auf dem Friedhof im Herbst“ und „Das nächste Fest soll noch größer werden“ werden im Saarland geradezu sprichwörtlich. Hat Römbell zunächst, wie er sagt, „Angst vor der persönlichen Aussage“, so nähert er sich schon mit den Erzählungen aus „Brennen mit Licht“ (1977) dem eigenen Ich, hinter den Beschreibungen des Büroangestellten Beck verbirgt sich unverkennbar der Autor. Eine offen subjektive Schreibweise erlaubt er sich dann mit seiner Lyrik seit Anfang der 1980er Jahre.

Rotstraße, Brotstraße

Mit der „Rotstraßen“-Trilogie (1989 bis 1996) erobert Manfred Römbell sich die große Form und die Darstellung sehr persönlicher Erlebnisse und Befindlichkeiten. „Seine ‚Rotstraßentrilogie‘ sichert Manfred Römbell einen festen Platz in der hiesigen Literaturgeschichte.“ (Christoph Schreiner).

In den „Rotstraßen“-Büchern und ihrer Fortsetzung „Doppelleben“ ist der Protagonist Andreas Schöber aus Bildstock weitestgehend identisch mit dem Autor, auch bei den anderen Figuren wird, teilweise aus juristischen Gründen, nur der Name verändert. Die Trilogie erzählt die Ereignisse von der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die frühen 1970er Jahre, „Doppelleben“ knüpft chronologisch an und reicht bis zum Ende der 1980er. Entworfen wird das schonungslose Bild eines zutiefst unglücklichen Menschen, der sein Heil im Schreiben sucht. Es wird so nah an der Realität erzählt, dass man die Romane getrost als Autobiografien lesen und sich bei der Darstellung von Römbells Werdegang an sie halten kann.

Foto wie der Autor vor einem Plakat steht auf dem sein Gedicht "Krise" ebgedruckt ist

Foto: Raymond Odermatt

Manfred Römbell ist der jüngste von drei Söhnen der Familie eines kleinen Handelsvertreters aus dem Friedrichsthaler Ortsteil Bildstock. Das Gymnasium in Neunkirchen besucht er bis zur Unterprima und beginnt eine Ausbildung zum Rechtspfleger. Er unternimmt einen Ausbruchsversuch aus dem ungeliebtem Beruf, schreibt sich bei der Hochschule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken ein, bricht das Studium aber schon nach wenigen Wochen ab, da die Grundlehre von Oskar Holweck (im Roman: Prof. Weiland) seinen Vorstellungen von Künstlertum widerspricht. Nach einem Zwischenspiel im Buchhandel kehrt er in den gehobenen Justizdienst zurück, ist zunächst für Nachlass-, dann auf eigenen Wunsch für Grundbuchangelegenheiten zuständig. Römbell hat Bildstock verlassen und ist nach Saarbrücken gezogen, wo er dann gut vier Jahrzehnte in der gleichen Wohnung lebt.

Foto einer Seite aus dem Manuskript. Es wurde mit der Schreibmaschine geschrieben und mit Bleistift korrigiert

Manuskript aus Manfred Römbells Roman Rotstraßenzeit

Er hasst seinen Beruf. „Andreas fühlte sich als jemand Besonderer, aber es gelang ihm nicht der Nachweis, es auch zu sein.“ Von tiefen Selbstzweifeln geplagt, stürzt er sich in erotische Abenteuer, deren Darstellung, am Vorbild Henry Miller orientiert, von Buch zu Buch mehr Raum einnimmt und an Drastik gewinnt. Als Maler gescheitert, unfähig zu dauerhaften Beziehungen, unglücklich im Beruf, steigert er sich in die Vorstellung, sein Privatleben ganz der Literatur opfern zu müssen. Eine Krebserkrankung („Mein Körper hat mir den Krieg erklärt“) führt zur Amputation eines Stücks seiner Zunge, so dass er seine Texte nicht mehr selber vortragen kann. Als sein erster Roman erscheint, sieht er sich am Ziel angelangt: „Er hatte es geschafft, es war vollbracht.“ Die „Rotstraßenzeit“ ist ein regionaler Erfolg und erzielt mehrere Auflagen.

Die Darstellung persönlichster Lebensbereiche darf nicht vergessen machen, dass Römbell immer auch ein politischer Autor ist. In seine Romane bezieht er auch zeitgeschichtliche Ereignisse ein, in der Prosa wie in der Lyrik thematisiert er immer wieder „sein Leiden, zu diesem Volk der Deutschen zu gehören“, er spürt in sich „die Urschuld, die die Deutschen mit Hitler und dem Nationalsozialismus auf sich geladen hatten“. Seine Identität findet er weniger als Deutscher denn als Saarländer und Europäer. Beim Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik 1957 hat sein Alter Ego Andreas Schöber nicht das Gefühl von Heimkehr. Römbells Liebe gilt Frankreich, Paris, dem Süden, aber auch den Regionen an der Grenze zu Deutschland. Viele seiner Gedichte, etwa in dem Band „Vogesenflut“, sind Orten in Lothringen und im Elsass gewidmet.

Auf Textgrundlagen von Römbell hat der SR Filme realisieren lassen, über Friedrichsthal (1973), über Spichern (1978).

Aufnahme als das Straßenschild eingeweiht wurde

Einweihung des Manfred-Römbell-Wegs, Foto: Rainer Petto

Schon vor seiner ersten eigenständigen Buchveröffentlichung erhielt Manfred Römbell für einen Hörfunktext den Kurt-Magnus-Preis der ARD. Saarbrücken verlieh ihm den städtischen Kunstpreis, bei der Preisübergabe am 28. Januar 1987 gab sich Ministerpräsident Oskar Lafontaine die Ehre. In der Begründung der Jury hieß es: „Manfred Römbell hat in seinen Werken seit vielen Jahren und sehr kontinuierlich mit teils leisen, teils humorvollen, teils ironischen Tönen – aber immer zum Nachdenken anregend – Saarbrücken, das Umland und die französische Grenzregion literarisch anspruchsvoll beschrieben und dargestellt.“ Römbells Heimatstadt Friedrichsthal zieht 16 Jahre später mit ihrem Kulturpreis nach. Nach seinem Tod benennt sie eine Straße nach ihm.

Alle Materialien zu den „Rotstraße“-Romanen hat der Autor 2001 dem Stadtarchiv Friedrichsthal übergeben, darunter die 300 Manuskriptseiten, um die er „Rotstraßenzeit“ auf Wunsch des Verlages kürzen musste. Die Materialien sind im Archiv zugänglich (Tel. 06987/8568-123). Gesperrt ist der Zugang zum übrigen Nachlass im Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass, um die Rechte dritter Personen, die dort erwähnt werden, zu schützen. www.literaturarchiv.uni-saarland.de  (RP)
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