Ilja Grigorjewitsch Ehrenburg

geb. 14. Jan. 1891 in Kiew, gest. 31. Aug. 1967 in Moskau

Der russische Schriftsteller und Journalist veröffentlichte im Vorfeld des Referendums vom 13. Januar 1935 Reportagen aus dem Saargebiet.

Ehrenburg ist einer der bekanntesten Autoren der Sowjetunion, sein Roman „Tauwetter“ (1956) gibt der Epoche der innersowjetischen Liberalisierung nach dem Tod Stalins ihren Namen. Bei Erscheinen seiner Memoiren „Menschen, Jahre, Leben“ 1962 löst ein angebliches Zitat aus dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eine Kontroverse um den „Deutschenhasser“ (Martin Walser) Ehrenburg aus.

Ehrenburgs Reportagen aus dem Saargebiet erscheinen im Dezember 1934, also kurz vor der Volksbefragung, in der sowjetischen Tageszeitung „Iswestija“, deren Frankreich-Korrespondent er damals ist. Im Gegensatz zu dem anderen kommunistischen Autor Theodor Balk, der für seine zur gleichen Zeit entstandenen Saargebiets-Reportagen intensiv recherchiert, weitgehend mit Fakten argumentiert und auch Befürworter des Anschlusses ans Dritte Reich zu Wort kommen lässt, versucht Ehrenburg gar nicht erst den Anschein von Objektivität zu erwecken. Sein Stil ist agitatorisch, die Anhänger der Deutschen Front werden zu Karikaturen, er verlässt sich auf Informationen aus zweiter Hand und leistet sich Ungenauigkeiten. Für Absurditäten wie ein Hakenkreuz aus Würstchen im Schaufenster eines Metzgers hat er einen besonderen Blick.

Für Ehrenburg sind die politischen Auseinandersetzungen ums Saargebiet keine nationale, sondern eine Klassen-Frage. Dabei hebt er die Rolle der Proletarier und insbesondere die der Kommunisten hervor, in diesen Passagen wechselt er den Stil: „Wieviel menschliche Wärme, wieviel Heldenmut, wieviel wunderbare Rauheit verbergen diese winzigen Häuser der Bergarbeitersiedlung!“

Dabei sieht Ehrenburg manche Dinge durchaus differenziert. Was das nationale Zugehörigkeitsgefühl angeht, ist für ihn klar, dass „an der Saar ganz durchschnittliche Deutsche wohnen“. Er weiß, dass auch viele Arbeiter bei den Faschisten sind. Er hält es für schwierig, sich für eine abstrakte Losung wie „Status quo“ zu begeistern. Und er unterschlägt nicht die Rolle der Katholiken im Kampf gegen Hitler – die entsprechende Passage fehlt dann in der sowjetischen Buchausgabe von 1936.
Mit seiner Skepsis gegenüber dem erhofften Ausgang des Referendums steht Ehrenburg auf Seiten der Hitler-Gegner ziemlich allein. Die letzte seiner Saargebiets-Reportage endet mit den Sätzen: „Die Schlacht ist vielleicht verloren. Doch der Krieg – niemals.“
Ehrenburgs Reportagen wurden zusammen mit denen von Philippe Soupault und Theodor Balk 2005 von Ralph Schock im Blieskasteler Gollenstein Verlag herausgegeben und kommentiert. (RP)