Hans Walter Lorang

geb. 13. Mai 1945 in Ansbach

Lorang (r.) mit Richard Bauer 2012 - Foto: Peter Eckert

Lorang (r.) mit Richard Bauer 2012 – Foto: Peter Eckert

Ein Liedermacher, dem über Jahrzehnte sein Publikum treu bleibt und sich aus nachwachsenden Jahrgängen fortwährend regeneriert, muss mehr und anderes zu bieten haben als halbwegs eingängige Melodien zu gefälligen, aber belanglosen Texten.
Hans Walter Lorang ist seit den 1980er Jahren bekannt als moselfränkischer Liedermacher. Die Sprache seiner Lieder kennt keine Grenzen zwischen Ost-Lothringen, Luxemburg und ostbelgischen Kantonen über Hunsrück und Eifel bis zum Westerwald. Als saarländischer Liedermacher beweist Lorang aber zugleich, dass die Sprachgrenze zwischen Mosel- und Rheinfränkisch nicht trennen muss:

„Doch die Homburja so menn ich
Sinn net so wie die aus Nennich
Die Saarbrigger kemmerdet weenich
Watt en Merzich so passiert   …
Doch kommt ääna aus em Reich
Unn datt heert ma jo aach gleich   …
Dann senn mir ous ganz schnell äänich
Senn mia Saarländer net kläänlich
Unn et kemmert ous dann weenich
Watt foarn Saarländer ma iss“

Auch im Gebiet der Nachbarmundart und ein gutes Stück über die Landesgrenze hinaus und auch noch weiter weg versteht und schätzt man ihn.
Geboren ist Hans Walter Lorang fünf Tage nach Kriegsende in Andernach. Er wächst auf in Berus und besucht dort auch die Volksschule. Hier auf dem Saargau unweit der französischen Grenze, „wo eijentlich Lottringen schonn aanfängt“, bildet sich fast beiläufig aus alltäglichem Erleben die prägende Erfahrung, dass drüben zwar die Welt anders ist, dass aber letztlich Menschen entscheiden, ob die Grenze trennt oder verbindet.

„Dau bischd von der ään Seit komm
Eich von der anna
Un in da Mitt dò woar de Grenz
Awwa nit for óus“

In den 1950er Jahren zieht die Familie um nach Dillingen-Diefflen. Nach dem Abitur studiert Hans Walter Lorang in Saarbrücken und wird dann Realschullehrer für Französisch und Erdkunde. Als Konrektor ist er auch tätig in der Lehrerausbildung, schreibt fachdidaktische Aufsätze und wirkt als Moderator und Autor mit an einem Lehrwerk.

Das musische Leben jenseits des Berufes kündigt sich zeitig an. Wichtig für sein musikalisches Interesse ist im 5. Schuljahr die Begegnung mit der Volksmusik-Legende Alfons Sibille (1922-2001). Dieser in der gesamten Großregion bekannte Musiker, Liedersammler, Chorleiter und Komponist gibt ihm als Musiklehrer Blockflöten-Unterricht, durch den es 1955 zum ersten musikalischen Auftritt in Saarlouis kommt. Den ersten Gitarren-Unterricht genießt er im Mandolinenverein Diefflen. Aber eigentlich möchte er nicht im Ensemble spielen, sondern Gesang begleiten. Dazu kommt es in der ersten Band, in der er nach dem Abitur bis zum Eintritt in den Lehrerberuf spielt, viel Französisches, Beat und dergleichen. Zusammen mit Peter Klasen und Peter (Metty) Krings hat er 1964 den ersten Fernsehauftritt in der SR-Sendung „Junge Talente“.

Ein weiteres schlummerndes Talent weckt der bekannte (auch Mundart-)Autor Leo Griebler (1912-1986), mit dem er „um einige Ecken“ verwandt ist. Von seiner Anregung, eigene Texte in Mundart zu schreiben, führt der Weg geradeaus von den üblichen Gelegenheitsreimen zu den Liedtexten, die man heute mit seinem Namen verbindet. Hier kommt wieder Alfons Sibille ins Spiel, der Texte seines ehemaligen Schülers vertont (u.a. „Holl meich hämm“, „Bei de Schang“, „De letscht Schicht“).

Der erste öffentliche Auftritt mit solchen Liedern kommt 1983 beim ersten „Saarlouiser Abend“ in der Stadtsparkasse. Unter den Mitwirkenden ist auch Gerd Dudenhöffer, der damals ebenfalls noch in der Frühzeit seiner Karriere steht. Die erste Langspielplatte „Ebbes vazehlen“ folgt 1984. Ihr Titel ist Programm, er definiert knapp, eingängig und umfassend das Anliegen, das Lorang mit seinen Liedern verfolgt: Erzählen aus dem menschlichen Leben, dem Alltäglichen und dem Ungewöhnlichen

Spätestens danach beginnt die dauerhafte musikalische Partnerschaft mit Richard Bauer. Bauer komponiert von da an den größten Teil der Melodien zu Lorangs Texten und zeichnet zugleich verantwortlich für die Arrangements.

Mit der zweiten LP, „Der klään Bou“ (1986), endet die Vinyl-Zeit.

„Der klään Bóu in mir
Wääss mehr vom Leewen
Wie der alt Lappes
Der wo eich bin
Hoffentlich giffda
Nit so schnell groß
Der klään Bóu in mir“

Es folgen drei CDs, wiederum mit neuen Liedern. Alle diese Musikalben enthalten in wechselnder Gewichtung eine thematische Mischung u. a. zwischen individuell-persönlichen Einsichten, Familiärem, selbstverständlich der lieben Liebe, ferner erfreulichen, ärgerlichen und zuweilen auch absurden Beobachtungen aus dem alltäglichen Umgang der Menschen um ihn herum. ZITAT

Gleichberechtigt daneben stehen Betrachtungen zur Welt hüben, drüben und dazwischen, zur Natur und zum Jahreslauf, zwischen alledem Texte, bei denen schwer zu entscheiden ist, ob es sich um schieren Unsinn handelt oder doch um Hintersinn – und zudem als fester Programmpunkt das Dichterleben und immer wieder Heimat und Sprache:

„Mei Spròòch, die is ganz äänfach
Mei Spròòch, die is nit schwer
Mei Spròòch, dat is en Stick von óus
Un eich schwätzen se gäär
Mei Spròòch han se ma gin
Die wo vor mir woar ́n
Un gesaat: Paß gudd droff off
Sonschd geht se da valoar   …
Mei Spròòch dat is óusa Land
Dat is da Boddem unna óusan Féiß
Mòòl schwer wie Lehm mòòl leicht wie Sand
Mòòl Felsen unn mòòl Gréiß“

Einen großen Schritt in die eigene Vergangenheit bringt 2009 die CD „Die Eerschdenbeschden“ mit z.T. neu arrangierten und aufgenommenen Titeln der alten Vinyl-LPs.

Mit Jugendfreund Peter Klasen stellt er unter einem Titel von Georges Brassens („Les Copains d’abord“) ab 2003 französische Chansons im Saarland und in Baden-Württemberg vor. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass er sich als Mundartbarde jenseits der Grenze den Titel „Chansonnier du Platt“ ersungen hat. (Siehe Hörbeitrag)

Musikalische Experimente gibt es (1997 und 2005) mit „Lorang meets Kammerchor“. In Arrangements von Franz Neidhöfer erklingen Lorang-Lieder u.a. mit Sinfonieorchester, Kammer-Trio und, wie der Titel verrät, dem Dillinger Kammerchor.

Sein Beitrag zum Mundartwettbewerb der Stadt Völklingen 2005 wird ausgezeichnet mit dem 1. Preis, der Völklinger Platt. Auch zum Austausch mit Kolleginnen und Kollegen wird er eingeladen, so zum Mundartsymposium Bosener Mühle, zum ORF-Heimatherbst in Dornbirn/Vorarlberg, zur Mund-Art-Literatur-Werkstatt Schopfheim, zur Internationalen Mund-Art-Literatur-Werkstatt Bludesch/Vorarlberg und zur Mundart-Werkstatt Bockenheim an der Weinstraße.

Selbstverständlich ist er in all den Jahren auch immer wieder im Rundfunkprogramm vertreten, ebenso im Fernsehen, z.B. in Sendungen wie „Kein schöner Land“ (ARD), „Sonntagskonzert“ (ZDF), „Fahr mal hin“ (SR), „Drei in einem Boot“ (SWF), „Das Saarland, Land in Europa“ (3sat).

Längst lebt er wieder im Ort seiner Kindheit, vielleicht sollte man eher sagen, er „residiert“ dort im historischen Kern von Berus, das im Mittelalter sogar Stadtrechte besaß. Eines der Prunkstücke aus dieser Zeit, das restaurierte Torhaus Scharfeneck, gilt immerhin über viele Jahre hin als sein „musikalisches Wohnzimmer“, in dem man ihn solo oder mit anderen Künstlern immer wieder mal erleben kann. Zwischen 2005 und 2009 sorgt die Veranstaltungsreihe „Mussik unn Sprooch“ im Haus Scharfeneck dafür, dass das Haus fast aus allen Nähten platzt.

Eine andere, bis 2018 fortgeführte Veranstaltungsreihe schließt sich 2010 an: „Bei uns dehemm im Lokschuppen“, in Kooperation getragen von der Stadt Dillingen und SR3 Saarlandwelle. Eingeladen werden jeweils Gäste aus dem Reich der Mundartmusik und solche von der schreibenden Zunft. Moderiert und später im Mitschnitt auf der Saarlandwelle präsentiert wird diese Veranstaltung von Lorang gemeinsam mit Susanne Wachs. Das deutlich größere Haus erlaubt es, auch zu seinen eigenen Liedern weitere Musiker hinzuzuziehen. So hört man zuverlässig viele längst vertraute Ohrwürmer in immer aufwendigerer Gestaltung, für die Richard Bauer verantwortlich zeichnet.

Stilistisch neue Wege geht die CD „Heer mòòl … MússikGedichda“. Thematisch bleiben die dreißig Gedichte bei der beliebten und bewährten Lorang-Mischung, doch setzt die Präsentation mit Musik unterlegter gesprochener Gedichte neue Akzente.

Peter Eckert