Gretel Fischer-Becker (auch Gretel Fischer)

geb. 09. März 1907 in Cochem, gest. 30. Aug. 2000 in Dillingen-Pachten

Foto: H. Driesch

Foto: H. Driesch

Geboren wird Gretel Fischer-Becker zwar im 170 Kilometer entfernten Cochem, aber schon mit vier Jahren kommt ihre Familie nach Pachten, das sie stets als ihre Heimat ansieht. Von fern mag man in ihr nur die bekannte Mundartautorin sehen, aus der Nähe betrachtet ist nicht zu übersehen, dass sie über Jahrzehnte für Pachten eine Institution ist.

Als einziges von sieben Kindern hat sie weder ein Studium noch eine Berufsausbildung; eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin muss sie abbrechen. Ihr Ehemann Peter Fischer, mit dem sie seit 1931 verheiratet war, verstirbt bereits 1939; die Ehe ist kinderlos geblieben.

In der örtlichen katholischen Pfarrgemeinde St. Maximin engagiert sie sich an mehreren Stellen ehrenamtlich. Schon 1919, also im Kindesalter, hat ihre Arbeit in der Pfarrbücherei begonnen, ab 1924 übernimmt sie deren Leitung, die sie bis 1974 innehat. Nach dem Krieg widmet sie sich mit großem Einsatz dem Wiederaufbau der Bücherei, zunächst der Behebung der beim Büchersturm der Nazis und im Krieg entstandenen Schäden und Verluste

Zugleich arbeitet sie als Pfarrsekretärin und erstellt in ihrer Freizeit eine Pfarrchronik. Etwa ab 1960 baut sie auf dieser Basis, ergänzt um während vieler Jahre gesammelte Zeitungsausschnitte, Fotos, Zeichnungen u.ä., gezielt eine Ortschronik auf.

Fast unüberschaubar ist dabei, was Gretel Fischer-Becker in ihrem „Geschichtszimmer“ genannten Arbeitsraum an weiterem Material gesammelt hat und wie viel neue Ideen für weitere Werke sie noch verwirklicht hätte, hätten sie nicht die durch ihr hohes Alter bedingten Einschränkungen daran gehindert

Ein letztes großes Projekt ist ein Gedenkbuch für die Pachtener Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege, dem sie sich mit großer Hingabe widmet, nachdem sie als Grundlage längere Zeit ihre eigenen Aufzeichnungen durch Totenbilder und Zeitungsartikel ergänzt hat. Zwar wird ihr seitens der Stadt Dillingen signalisiert, dafür gebe es keinen Bedarf, doch sehen die Menschen im Ort das völlig anders.

Zusammenfassend lässt sich all das Vorgenannte würdigen als aller Ehren wert, aber nicht als literarische Arbeit. Gewiss, das träfe zu, wäre es dabei geblieben.

Denn parallel zu diesem streng sachbezogenen Wirken entsteht eine andere umfangreiche und detaillierte Chronik. Sie gilt den Ereignissen in der großen Welt mehr oder weniger weit „draußen“ ebenso wie Episoden des dörflichen Geschehens oder aus der Pfarrgemeinde, erlebt in der eigenen Familie und erlauscht von anderen, daneben auch Natur und Landschaft. Immer wieder geht es auch um die Sprache, Mundart als Gegenentwurf zum notwendigen, aber zuweilen auch überbewerteten Hochdeutsch.

Diese „andere Chronik“ sind die Gedichte und Prosatexte in Pachtener Mundart und Schriftdeutsch, die auf der soliden Basis ihrer heimatkundlichen Forschungen in all den Jahrzehnten entstehen.

Literarisch verarbeitet, bewahren sie in heiterer und besinnlicher, oft liebevoller, mitunter aber auch sehr ernster und kritischer Form Erinnerungen aus vergangenen Jahrzehnten, auch und gerade zur selbst erlebten jüngeren Vergangenheit, aber durchaus auch zeitnahes Geschehen. Vorrangig im Blick hat sie dabei das Alltagsleben der „kleinen Leute“ (darunter auch manche Sonderlinge), lässt aber auch nicht aus, was die „großen Leute“ damit zu tun haben.

Beispielhaft sei erwähnt das Leben der Bauern und Kleingewerbetreibenden, darunter auch ausgestorbene Berufe wie z.B. Scherenschleifer, Kessel- und Schirmflicker. Auch unbequemen Themen geht sie nicht aus dem Weg; so setzt sie dem für sie denkmalwürdigen jüdischen Ziegenhändler Isaak ein literarisches Denkmal. Als seinerzeit aktueller Anlass seien genannt die mit dem Bau der Bundesstraße 51 verbundenen Naturzerstörungen.

Einblicke in ausgestorbene Bräuche gibt sie z.B. in „Schalwari-Kloppen“, einer Art mit Katzenmusik verbundener Polterabend für Wiederverheiratete, von dem sich die Brautleute durch das Reichen von Getränken freikaufen müssen.

Einen ihr besonders wichtigen Schwerpunkt bilden Texte zu religiösen Themen: Gedanken zu kirchlichen Festen im Jahreslauf, Psalmen, Trostworte und Gebete. ZITAT


Aufsätze von Gretel Fischer-Becker erscheinen in Zeitungen und Zeitschriften, mit Gedichten ist sie z.B. schon1964 vertreten in der Anthologie „Mei Geheichnis“, in die nur namhafte AutorInnen jener Jahre aufgenommen werden. Den umfassendsten Überblick über ihr literarisches Werk geben zwei Bücher aus den Jahren 1973 und 1983. Leider nicht in Buchform zugänglich sind z.B. die Theaterstücke und Sketche für Laienbühnen, die gerade im dörflichen Umfeld immer wieder gern gespielt wurden.

Das Schaffen von Gretel Fischer-Becker würdigt die Stadt Dillingen 1986 durch eine ihrer höchsten Auszeichnungen, den „Merkur“.

Der damalige Ministerpräsident Oskar Lafontaine zeichnet sie im Jahr 1987 in Anerkennung ihrer Verdienste um die Pflege der saarländischen Mundart und für ihr Lebenswerk aus mit der Verleihung des saarländischen Verdienstordens.

Ihr Nachlass ist – wie von ihr gewünscht – im Pachtener Heimatmuseum untergebracht und wird dort unter dem Dach gelagert. Bedauerlich ist, dass die dortige Gretel-Fischer-Stube – falls überhaupt – nur unter großen Schwierigkeiten zugänglich ist. 2021 veröffentlicht Hildegard Driesch einen 164-seitigen Band mit Sachinformationen, Dokumenten und einer Auswahl von Texten Gretel Fischers.

Peter Eckert