Fred Oberhauser

geb. 15. Juli 1923 in St. Ingbert, gest. 7. Febr. 2016 in St. Ingbert

FDer Autor sitzt auf seiner Treppe im Haus, rechts und links sind Bücher gestapeltred Oberhauser war Kulturjournalist, kultureller Anreger, Pionier der literarischen Topographie und als „Der Oberhauser“ eine kulturelle Instanz.

Zur Welt gekommen ist Alfred Oberhauser in einem Krankenhaus in St. Ingbert, aber sein Elternhaus steht in Blieskastel, wo der Vater Bürgermeister ist. Aufgewachsen ist er hier und in Wemmetsweiler („Wehmutsweiler“). In der Borromäusbücherei nährt er seine frühe Leselust, die mit vierzehn zur „Passion“ wird. Beim Schreiben seines ersten Gedichts an eine nicht existierende Geliebte empfindet er „ein merkwürdig vom stimmigen Gebrauch der Wörter provoziertes Glück jenseits der Sprache“.

Daten zum jungen Oberhauser: 1934-36 Humanistisches Gymnasium Zweibrücken. 1936-42 Staatliches Gymnasium St. Wendel, Abitur. Im April 1942, im Alter von 19 Jahren, eingezogen, im Mai 1945 russische Gefangenschaft. Unter der Bedingung, dass er an der kommunistischen Uni bei Moskau studiert, aus der Gefangenschaft entlassen. Erst Januar 1949 Rückkehr nach Hause.

Ab Februar 49 studiert Oberhauser in Saarbrücken Deutsch, Geschichte, Philosophie und später auch Kunstgeschichte und löst sich innerlich von der kommunistischen Umerziehung. Im November 1950 geht er zum Studium der Germanistik, Theater- und Zeitungswissenschaft nach München. Insgesamt besucht er 14 Semester lang die Uni, ohne viel Ehrgeiz und ohne einen Abschluss zu machen. Nach dem Tod seines Vaters muss er ins Saarland zurückkehren. Bis zu seinem Tod wohnt Fred Oberhauser in St. Ingbert.

In München hat Fred Oberhauser die Studentin Gabriele Högl kennengelernt, die beiden heiraten 1958. Gabriele Högl schließt 1958 ihr Studium mit Promotion in Germanistik ab.

FährtenLesenAb 1955 arbeitet Oberhauser für den Saarländischen Rundfunk. Nach dem Ausscheiden von Hans Bernhard Schiff ist Oberhauser kommissarischer Leiter der Literaturabteilung. Sein danach bis zum Renteneintritt 1986 beibehaltener Status als Redakteur beschreibt nur unvollkommen Oberhausers Bedeutung am Sender: Im Organigramm ist er zwar in der Literaturabteilung angesiedelt, er arbeitet aber auch für die Regionale Kultur Hörfunk unter Franz-Josef Reichert und, als Moderator und Ideengeber, für das Fernsehmagazin „Kulturspiegel“ unter Peter Brugger. Oberhauser initiiert 1966 die Reihe „Fahren Sie uns nach“ als funkischen Kulturreiseführer nach Lothringen, dem Elsass und Luxemburg (im Fernsehen heißt das später „Fahr mal hin“), er hebt 1969, als der SR eigene Fernsehsendezeit bekommt, den „Kulturspiegel“ mit aus der Taufe, betreut und moderiert ihn, und noch als frisch gebackener Rentner wird er 1987, zusammen mit einer französischen Partnerin, Moderator des neuen, von ihm angeregten deutsch-französischen Fernsehmagazins „Rendez-vous“. Oberhauser fördert im Sender junge Journalisten, und er wird durch seine intime Kenntnis der Region zur Instanz in Sachen Saar-Lor-Lux, nach dem Motto: „Fragen wir doch Oberhauser“. Trotz (oder wegen?) seiner großen Affinität zur Literatur begreift Oberhauser sich selber immer als Journalist.

Der Schreibtisch liegt voll mit Büchern, Zettel und Bildern

Der Schreibtisch von Fred Oberhauser

Als Saarpfälzer oder, um einen von ihm bevorzugten Begriff zu verwenden – als Bewohner des Westrich ist Oberhauser von Geburt ein Grenzüberschreiter. Den idealen Saarländer denkt er sich nicht befangen in den engen Grenzen des Bundeslandes, sondern als Teil einer Großregion, die auch die Pfalz, den Regierungsbezirk Trier, Lothringen, das Elsass, Luxemburg und die Wallonie umfasst.

Nicht nur, weil er den Begriff der Heimat so weit fasst, führt bei Oberhauser die intensive und liebevolle („cum amore kritisch“, pflegte er zu sagen) Beschäftigung mit der Heimatregion nicht zum Provinzialismus. Seine Heimatliebe ist frei von Ideologie, die Auseinandersetzung mit dem Naheliegenden ist eine Form des Eingehens aufs Konkrete, das es zu durchdringen gilt, bis im Konkreten das Allgemeine zum Vorschein kommt. Oberhauser, ein Kontaktmensch, findet Freunde und Gleichgesinnte auch jenseits von Saar-Lor-Lux-Elsass. Davon zeugen die zahlreichen Beiträge in dem von seinem Sohn Stephan 2017 herausgegebenen Erinnerungsbuch.

Oberhausers Bücher, Standardwerke ihres Genres, machen ihn zum Pionier der literarischen Topographie in Deutschland. Vor allem bei seinem literarischen Deutschlandführer verschmelzen Autor und Werk zum Begriff „Der Oberhauser“. Die literarische Topographie, die von ihm betriebene Verknüpfung von Literatur und Geographie, ist bei Oberhauser keine Wissen-, eher eine Leidenschaft, die er besonders im Gespräch assoziationsreich zu vermitteln weiß. Er folgt dabei keiner ausgearbeiteten Theorie, sondern geht eher induktiv vor, wie Reiner Marx es treffend beschreibt (→ Themenbeitrag Literarische Topographie).

Zum Ruhm in der Szene der literarisch Interessierten kommt spät auch die offizielle Anerkennung, zunächst aus Rheinland-Pfalz: 1994 wird ihm die renommierte Carl-Zuckmayer-Medaille verliehen (frühere Preisträger u.a. Friedrich Dürrenmatt, Hanns Dieter Hüsch, Martin Walser). Es folgen 1997 die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes und 2013 die Verleihung des Titels „Professor“ durch die saarländische Landesregierung.

Oberhauser ist bis zuletzt publizistisch tätig. Von Januar 2009 an schreibt er unter der Überschrift „Der Oberhauser – Was nicht im Lexikon steht“ insgesamt 44 literaturtopographische Kolumnen für das von Irene Ferchl herausgegebene „Literaturblatt – für Baden-Württemberg“, nicht nur den Saar-Lor-Lux-Raum, sondern die ganze deutsche Literatur einbeziehend. Die letzte dieser Kolumnen, über Alfred Gulden, erscheint postum in der Ausgabe März-April 2016.

Foto: Privat

Fred Oberhausers zusammen mit seiner Frau Gabriele Oberhauser erarbeitetes Hauptwerk ist der „Literarische Führer durch die Bundesrepublik“, 1974 im Münchner Insel-Verlag herausgekommen. Nach der Wiedervereinigung kann Oberhauser 2008, jetzt zusammen mit Axel Kahrs, den „Literarischer Führer Deutschland“ vorlegen. Dazwischen veröffentlicht er regionale Literaturführer (Schwarzwald und Oberrhein, Berlin) – aber keinen fürs Saarland.

Dem Saarland widmet Fred Oberhauser einen HB-Bildatlas (1985) und einen durch die erstmalige Einbeziehung der Industriekultur bemerkenswerten DuMont-Kunst-Reiseführer (1992), auch literarische Anthologien mit regionalem Bezug gibt er mit heraus – aber der literarische Reiseführer fürs Saarland bleibt ein Desiderat. 2011 macht er einen entsprechenden Vorschlag in einem Gespräch mit Christoph Schreiner in der „Saarbrücker Zeitung“ publik: „Wenn ich jünger wäre, würde ich’s selber machen.“

Im Februar 2015, bei einem Zeitzeugengespräch mit Axel Buchholz im Zeitungsmuseum Wadgassen, erneuert Oberhauser den Vorschlag. Dabei schwebt ihm immer noch eine Buchpublikation vor. Oberhauser hat seine Werke ohne Computer, Internet, E-Mail erarbeitet. Sein Sohn Martin, Teilhaber einer Saarbrücker Kommunikationsagentur, kann ihn davon überzeugen, dass ein Internetportal die zeitgemäße Publikationsform für ein solches Projekt wäre. In der Vorbereitungsphase stirbt Fred Oberhauser im Februar 2016, 92jährig und bis zuletzt im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Im November 2017 geht www.literaturland-saar.de online.

Eine sehr genaue biographische Skizze von Fred Oberhauser bietet der entsprechende Beitrag von Gerhard Sauder in dem 2023 bei Conte erschienenen Band „St. Ingberter Biografien“. (RP)