geb. 3. Sept. 1821 in Köln, gest. 20. März 1892 in Alsbach / Bergstraße
Ernst Pasqué war zuerst Opernsänger, dann schrieb er den ersten Roman über Schloss Karlsberg in Homburg.
Voller Wendungen ist der Lebensweg von Ernst Pasqué, der 17-jährig eine Gesangsausbildung in Angriff nahm. Sein besonderes Vokaltalent führte ihn nach Paris, wo er am Konservatorium aufgenommen und Eleve des Tenors Louis Antoine Ponchard wurde. Nach seinem Debüt als „Jäger“ im „Nachtlager von Grenada“ von Konradin Kreutzer 1844 in Mainz fand er im Jahr darauf Aufnahme als Bariton beim Großherzoglichen Hoftheater in Darmstadt.
Es folgte ein kurzes Intermezzo in Leipzig 1846/47, dann kehrte er wieder nach Hessen zurück. Weitere Stationen Pasqués waren die Leitung der Deutschen Oper in Amsterdam 1855 sowie die Oper in Weimar, wo er zwischen 1856 und 1859 als Regisseur tätig war. Infolge einer Krankheit musste er dann allerdings infolge Stimmverlusts seine Sängerkarriere beenden.
Zunächst 1859 Ökonomieinspektor in Darmstadt, widmete er sich intensiver der Musikhistorie: Schon 1853 hatte sich Pasqué in dieser Hinsicht mit der „Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Darmstadt“ einen Namen gemacht.
Zunehmend wandte er sich aber auch der erzählenden Literatur zu. Von ihm stammen zahlreiche Erzählungen, etwa „Das Griesheimer Haus“ oder auch das Buch „Es steht ein Baum im Odenwald“, das es zu großer Beliebtheit brachte und ihn zum erklärten „Poeten des Odenwaldes und der Bergstraße“ machte. Thema der Erzählung ist die Liebe zwischen einem Darmstädter Prinzen und einem Odenwälder Bauernmädchen. Der Geschichte liegt eine wahre Begebenheit zugrunde, die im Auerbacher Fürstenlager begann. Viele weitere seiner Schriften haben das Theater und die Oper und den Darmstädter Raum zur Kulisse.
Ernst Pasqué war schließlich der erste Autor, der sich fiktional mit Schloss Karlsberg bei Homburg beschäftigte. Sein Roman erschien 1875 in Fortsetzungen in der „Neuen Sonntagspost. Blätter zur Unterhaltung am häuslichen Herd“. Erst postum, 1902, erschienen die ursprünglich 28 Folgen gesammelt auch als Buch. In seinen Notizen zur Konzeption des Romans findet sich seine recht schlichte Schilderung der Motive, die ihn auf die Idee gebracht hatten, den Karlsberg und seinen Schlossherrn zum Gegenstand eines Romans zu machen: „Im Sommer 1874 durchstreifte ich das alte Herzogthum Zweibrücken, besuchte von Homburg aus die Stätte, wo das fabelhafte Schloß und die Karlslust des ‚schlimmen Karl‘ sich befunden haben und schrieb dann den Roman“ (zitiert nach Albert Becker, Wie E. Pasqués Karlsbergroman entstand, in: Westpfälzische Geschichtsblätter 18, 1914, S. 23).
Die Verarbeitung des Sujets wird insgesamt sehr ambivalent kommentiert. Einerseits besticht der Roman durch intensive Quellenkenntnis des Autors und lässt dadurch in der Tat den mit dem Titel erhobenen kulturgeschichtlichen Anspruch gerechtfertigt erscheinen. Andererseits muten Handlung wie handelnde Personen trivial und arg romantisierend an. ZITAT
Zitat von Ernst Pasqué
Der Herzog warf seinen Pudermantel ab, erhob sich von dem breiten bequemen Fauteuil und trat wieder vor die Spiegelwand, denn so konnte man wohl die verschiedenen zusammengesetzten Spiegelscheiben nennen, welche vom Boden bis zur Decke reichten und die Breite einer mäßigen Zimmerwand einnahmen. Aufmerksam musterte er sein sorgfältig frisiertes und gepudertes Haar, dann traf ein gnädiges Lächeln den einem Grand-Seigneur gleich gekleideten Kammerdiener, der in scheinbarer Ueberseligkeit sich mit seiner Bürste und Puderquaste bis fast zur Erde niederbeugte.
Serenissimus war in der vortrefflichsten Laune, schon in solcher hatte er sein Lager verlassen und dieser Aufgang der allmächtigen, Alles belebenden Sonne des Karlsbergs hatte das Schloß bereits mit dem hellsten Gnadenlichte erfüllt und seine Bewohner in die allerrosigste Stimmung versetzt. Seit Wochen, ja seit Monaten hatte man solchen schönen, vielverheißenden Beginn eines hochfürstlichen Tages nicht erlebt, und wer von den getreuen Insassen der Residenz die Ursache dieser ersehnten Erscheinung kannte, oder zu kennen glaubte, oder auch nur ahnte, rechnete bereits ganz bestimmt auf ein andauerndes, prachtvolles Hofwetter, in dem Freuden und Lustbarkeiten aller Art in üppigster Weise gedeihen mußten. Der Allergnädigste, welcher in letzter Zeit seinem äußeren Menschen wenig Aufmerksamkeit geschenkt, hatte heute das Allerbeste zu einer eleganten Morgentoilette Passendste der reich ausstaffierten Garderoben zu befehlen geruht, sein frisierender Leib- oder richtiger Kopf-Kammerdiener sich bereits selbst übertroffen und nun stand der Herzog vor dem Spiegel, wenn auch vor der Hand nur in simplen Hemdärmeln, doch sonst gekleidet, als ob er mit seiner römisch apostolischen Majestät Joseph II. hätte frühstücken sollen. Die pfirsichblütenen Sammthosen mit den reich in Gold und bunter Seide gestickten Kniebändern, die mattglänzenden, weißen Seidenstrümpfe, die feinen Schuhe mit den eleganten Smaragdschnallen, die weiße, schillernde goldgestickte Seidendamastweste, und vor allen Dingen die feinen Spitzen, welche aus derselben in reichster Fülle hervorquollen, den Hals umwallten, an den Aermeln die vielfach beringten Finger umgaben, dies Alles war ebenso reich als elegant und geschmackvoll, und der Herzog Karl durfte mit sich zufrieden sein, er machte sich selber einen guten, sogar recht bedeutenden Effekt.
Ein leichter Wink und zwei andere Kammerdiener eilten mit dem leichten Schlafrock von blumenumrankenen Seidentaffet herbei. Serenissimus streckte die beiden Arme nach rückwärts aus und schon im folgenden Augenblick saß das Kleidungsstück auf dem herzoglichen Körper, umfloß dessen Glieder in weichen kühlenden Falten. Jetzt ergriff die fürstliche Hand eine goldene Klingel; ein Tönen, hell wie die Blicke des Allmächtigen, wurde laut, ein gnädiges Kopfnicken erfolgte und die Herren Kammerdiener waren entlassen. Nur rückwärts gehend, die Rücken immerfort untadelhaft gesenkt, die Häupter im Schritte wiegend und verbeugend, verließen sie das Heiligtum, um andern Dienern Platz zu machen, welche im Vorhof dieses Paradieses wohl mit Ungeduld des goldenen Rufes geharrt hatten.
Sechs Pagen, von frischen Farben, ganz a la Louis XV. gekleidet, bebändert und frisiert, hüpften herein, strahlende Freude auf den hübschen feingeschminkten Gesichtchen. – Wer hätte in ihnen die etwas derben Marketenderinnen von gestern Abend, die mit den Grenadieren heimzogen, wiedererkannt? Fürwahr, Madame Agnes, die Kleidermutter der filles d’honneur hatte hier wieder eines ihrer Wunder bewirkt, das nun durch ein sehr herablassendes Lächeln Seiner Durchlaucht so überreich belohnt wurde.
„Die Chokolade!“ geruhten der Herzog zu befehlen. Und fort stürmten einige der Pagen, das Frühstück, als erste Stärkung dem Regenten der Zweibrücker Lande zu bringen, während andere, unter Leitung des heutigen Leibpagen, äußerst behende im weitoffenen Nebensalon Tisch und Sessel zurecht rückten und zu dieser ersten Arbeit, oder vielmehr diesem ersten Genuß des heutigen Tages tauglich herrichteten.
Während Serenissimus den süßen braunen Trank behaglich schlürfte, müssen wir uns diesen Teil des herzoglichen Appartements des Karlsberges, wo all’ die soeben angedeuteten wichtigen Vorrichtungen vor sich gingen, ein wenig näher ansehen. Nähere Kenntnis von den prachtvollen Räumen zu nehmen ist sogar Notwendigkeit.
Das Schlaf- und Toilettenzimmer sowie der Frühstückssalon befinden sich im Grunde in einem und demselben Raum und sind nur durch Draperien von einander getrennt. Das Ganze ist ein riesiger viereckiger Saal; einmal geteilt, bildet eine Hälfte den Salon. Die zweite rückwärts gelegene besteht abermals aus zwei Teilen, den Schlaf- und Toilettezimmern. Die Draperien ersetzen die Scheidewände, weite Portieren die Thüren, und werden durch letztere die drei Piecen mit einander verbunden, wie auch die beiden rückwärts gelegenen am Tage ihr Licht durch die stets weit offenen Draperien von dem fensterreichen Salon empfangen.
Die Wände, Decken, Draperien des Schlafzimmers sind zugleich bestimmt, die Lampen mit ihren mattgeschliffenen Glasglocken und Krystallbehängen zu tragen, welche am Abend, in der Nacht das reiche lauschige Gemach erhellen. Auch von der Decke hängt ein kleiner Kreis ähnlicher Lampen nieder und eine zauberische Wirkung muß es sein, wenn die Krystalle in dem sanften Lichte auf dem dunklen satten Hintergrunde glitzern und schimmern. Das breite Lager hatte gleiche Draperien, Decken wie die Wände und auch der Fußboden ist mit demselben Sammet belegt, nur sind hier Bouquets und Arabesken von gelber Seide hineingestickt.
Ueber dem Lager und an der einen festen Seitenwand hängen noch einige für den Ort passende Gemälde, worunter sich besonders ein Urteil des Paris auszeichnet, ein Meisterwerk Bouchers und für den Herzog und den Karlsberg mit großen Kosten in Paris gekauft.
aus Ernst Pasqué: Der Karlsberg. Kulturgeschichtlicher Roman in vier Abtheilungen. Homburg 1902, S. 136 ff.
das Motiv: „Polenkönig Stanislas und die Tschiffliker Kirschen“).
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Überdeutlich tritt vor allem die gezielt auf bloße Unterhaltung angelegte Erzählweise zu Tage. „Unbeschadet dieser Ambivalenzen zwischen Trivialem und Authentischem gebührt Pasqué uneingeschränkt das Verdienst, das Karlsberg-Sujet als ein tragfähiges und spannendes Roman-Sujet gewissermaßen entdeckt zu haben“, fasst Reiner Marx in seinem Lesebuch „Der Karlsberg und Karl II. August in der Literatur“ (Saarpfalz-Sonderheft 2010“) die Bedeutung des Schriftstellers und des Romans zusammen. (MB)