Georg Colesie

Georg Colesie ca. 1950er Jahre

geb. 28. Jan. 1915 in Friedrichsthal, gest. 15. Jan. 2000 in Nalbach-Körprich

Heimatforscher und Mundartdichter

Nach dem Abitur 1936 am Gymnasium in Baumholder (heute Rheinland-Pfalz) wollte er Germanistik studieren. Stattdessen wurde er Bäcker. Die historischen Forschungen, für die er den Kulturpreis des Kreises Saarlouis erhielt, betrieb er nebenberuflich, als Autodidakt. Georg Colesie hat sich als eine Art Grenzgänger gesehen an der Linie, die zwei Mundart-Sprachen trennt, das Moselfränkische vom Rheinfränkischen. Wenn er, unterwegs nach Saarbrücken, diese Grenze bei Heusweiler überfahre, schrieb Colesie 1988 in seiner Dankesrede zum Saarlouiser Kulturpreis, „meine ich manchmal, es müsse einen Ruck im Auto geben“.

Zu seiner Verblüffung verlief diese Grenze, die Das/Dat- oder Was/Wat-Linie, sogar mitten durch seine Familie. Wie seine älteren Geschwister wurde Georg Colesie in Friedrichsthal  im damaligen Landkreis Saarbrücken, heute Regionalverband, geboren. Hier wird Rheinfränkisch gesprochen. Seine Kindheit verlebte er jedoch in Ruschberg im Landkreis Birkenfeld (heute Rheinland-Pfalz); dort spricht man moselfränkisch. Im nur wenige Kilometer entfernten Baumholder jedoch war wieder Rheinfränkisch angesagt. Das verwirrte den Jungen aus Ruschberg, wie er in der erwähnten Dankesrede berichtete: „Wenn ich in Baumholder etwas einkaufen ging, fragten mich die Verkäufer: ‘Was kriescht dann du?’ In Ruschberg lautete die gleiche Frage bei gleicher Gelegenheit: ‘Wat kriescht dau dann?’“ Der junge Colesie machte sich, da ihm niemand dieses Phänomen erklären konnte, selbst einen Reim darauf: „Es mußte wohl so sein, daß die Baumholderer als Städter eine kultiviertere Sprache redeten als wir Dörfler.“ Colesies ältere Geschwister, die ihr in Friedrichsthal erworbenes Rheinfränkisch ins moselfränkische Ruschberg mitnahmen, haben die Irritation wahrscheinlich umgekehrt erlebt.

Die Vorfahren der Familie waren aus Italien zugewandert und hießen Collissi. Die Sprache der neuen Heimat schliff den Namen zu Colesie ab, Betonung auf der zweiten Silbe.

Nach dem Abitur wurde nichts aus dem Germanistikstudium. Georg Colesie fand zunächst Anstellung als Postinspektoranwärter. Doch längst hatte das Hitlerregime auch in seinem Lebenslauf die Weichen umgestellt. 1937 “Reichsarbeitsdienst”, dann Wehrdienst und im September 1939 die Einberufung in den Krieg. Mittendrin, 1942, heiratete er seine Jugendliebe Helene Müller aus Körprich im Landkreis Saarlouis, heute Ortsteil von Nalbach, eine Bäckerstochter. 1943 kam das erste gemeinsame Kind zur Welt, ein Mädchen. Sie sollte ihren Vater erst viele Jahre später kennenlernen, denn Georg Colesie, Oberleutnant beim Bodenpersonal der Luftwaffe, geriet noch kurz vor Kriegsende 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft; erst 1948 kam er nach Hause. Danach sei er sehr verschlossen gewesen, erinnert sich Tochter Ingeborg Wetzel-Colesie; sie und ihr 1949 geborener Bruder hätten Einzelheiten über seine Gefangenschaft erst nach dem Tod des Vaters erfahren.

Als Georg Colesie nach Körprich zurückkam, stand die Aufgabe an, den Bäckereibetrieb der Schwiegereltern am Leben zu erhalten. Der Heimkehrer machte, statt zu studieren, eine Bäckerlehre, später auch die Meisterprüfung, und ernährte seine Familie als Bäcker. Die Lust an der Sprache und am Schreiben blieb. Seine Neugier und sein Forschungsdrang richteten sich zuerst auf die Sagen seiner Umgebung. Er wollte wissen, was daran historisch war. So entstand seine erste Untersuchung, „Margarete vom Litermont im Lichte archivalischer Überlieferung“ (1961). Danach weitete  Georg Colesie  sein Forschungsinteresse auf die Geschichte des gesamten Nalbacher Tales und die einzelnen Dörfer dieser einstigen mittelalterlichen Herrschaft an der unteren Prims aus: Nalbach, Piesbach, die auf Piesbacher Bann gelegene untergegangene Siedlung Theter, Bettstadt, Diefflen, Bilsdorf und Körprich. Er zeichnete ihren Werdegang und die wichtigsten Veränderungen bis in die 1950er Jahre nach. Dabei sparte er auch die beiden Weltkriege, die Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und die Zerstörung ihrer Synagogen nicht aus, ließ jedoch die örtlichen Protagonisten der Nazi-Ära unerwähnt. Über die Kriegsschäden und deutschen Opfer in den einzelnen Dörfern führte er Buch, doch nicht über die Art und Weise, wie sich die Menschen vor Ort in der NS-Diktatur verhielten. Er überlieferte jedoch, dass ein allseits hoch geschätzter Nalbacher Amtsbürgermeister noch 1946 von der Reichspogromnacht  am 9./10. November 1938 als „der bekannten Judenaktion“ schrieb.

Nicht nur Georg Colesies historische Arbeiten fanden Anerkennung, sondern auch seine Mundartgedichte. Die schrieb er sein Leben lang, las sie in Radiosendungen auch schon in den 1950er Jahren bei Radio Saarbrücken, veröffentlichte sie aber nur einzeln oder rezitierte sie gelegentlich live. Nachdem seine beiden Kinder, Ingeborg Wetzel-Colesie und Gerhard Colesie, zum 100. Geburtstag des Autors im Eigenverlag eine Sammlung herausgebracht haben, liegen seine Gedichte und skurrilen Geschichten in Körpricher Mundart erstmals auch als Buch vor. (IP)  ZITAT