Adrienne Thomas

Pseudonym für Hertha Strauch, geb. 24. Juni 1897 in St. Avold, gest. 7. Nov. 1980 in Wien

Adrienne Thomas war von den 1930er bis in die 60er Jahre eine erfolgreiche Schriftstellerin, deren Name heute nur noch mit dem in Metz zur Zeit des Ersten Weltkriegs spielenden Roman „Die Katrin wird Soldat“ verbunden wird. Günter Scholdt: „Grundthema ihres Schreibens ist das problematisch-pikante Geschlechterverhältnis, das sie in zahlreichen Erzählvarianten durchspielt, mal analytisch und desillusionierend, mal pointenreich und schnippisch, mal schwärmerisch und sentimental an der Grenze zum Kitsch.“ Anders als der Saarbrücker Literaturwissenschaftler Scholdt rechnen manche Fachleute das Werk der Autorin insgesamt der Trivialliteratur zu. Ein großer Teil ihrer Veröffentlichungen sind Jugendromane.

Hertha Strauch kommt als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie im lothringischen St. Avold zur Welt und lebt dort lebt bis zu ihrem siebten Lebensjahr. Die Eltern sind ein Jahr vor Herthas Geburt mit der älteren Schwester von Berlin aus hierher in deutsche Reichsland Elsass-Lothringen umgesiedelt. 1904 zieht die Familie nach Metz.
Bis zur Mittleren Reife besucht Hertha die Höhere Mädchenschule in der rue Poncelet, danach eine so genannte Industrieschule mit hauswirtschaftlicher Ausrichtung. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs, als 17jährige Schülerin, meldet sie sich zum freiwilligen Rot-Kreuz-Dienst am Metzer Hauptbahnhof. Die Erfahrungen, die sie dort macht, fließen später ein in ihren Antikriegsroman „Die Katrin wird Soldat“. Es ist ihr erstes Buch, und es wird zum internationalen Bestseller mit Millionenauflage. 1933 erscheint eine französische Übersetzung mit einem Vorwort von Jean Giraudoux. Im gleichen Jahr steht der Titel auf der ersten Schwarzen Liste der Bücher, die von den Nazis verboten und verbrannt werden.

Nach der Machtergreifung beginnt für Adrienne Thomas die Flucht durch zahlreiche europäische Länder, bis ihr im September 1940 die Ausreise in die USA gelingt. Während dieser Zeit kann sie Bücher in Exilverlagen veröffentlichen, und auch nachdem sie 1947 nach Wien zurückgekommen ist, findet sie Anschluss an den Literaturbetrieb.
„Die Katrin wird Soldat“ ist ein Roman in Tagebuchform, beginnend am 27. Mai 1911, dem 14. Geburtstag der Tagebuchschreiberin Catherine (Katrin) Lentz, endend am 7. Dezember 1916 mit einem Nachtrag, der den Tod des Mädchens anzeigt. Wie die Autorin meldet sich auch die Romanfigur Katrin zum Rotkreuzdienst am Metzer Bahnhof, der zur Drehscheibe des Krieges wird. Auf der einen Seite erlebt das Mädchen die mit Hurrageschrei in den Krieg ziehenden Soldaten und bald schon auf dem anderen Gleis ihre Rückkehr von der Front als schwer Verwundete und Verstümmelte. Katrin hilft den Soldaten beider Nationen aus einem humanitären Impuls heraus, den Krieg hält sie von Anfang an für sinnlos und zutiefst abstoßend. Hinzu kommt die persönliche Tragik der Liebe zu einem jungen Mann, von dem sie durch den Krieg getrennt wird und der schließlich fällt.

Der Erfolg des Romans rührt, sozusagen im Fahrwasser von Remarques im Jahr davor erschienenem Bestseller „Im Westen nichts Neues“, aus der Antikriegstendenz, hier verknüpft mit einer Liebesgeschichte und einer dezidiert weiblichen Perspektive. Zum Reiz des Buches trägt sicher auch die Aura von Authentizität bei. In der Tat bewegt das Buch sich, leicht stilisierend, entlang der Biografie seiner Autorin. Es fußt auf dem Tagebuch der realen Hertha Strauch, das Günter Scholdt 2004 herausgegeben hat. Die Ausgabe des Romans im St. Ingberter Röhrig-Verlag enthält, neben Auszügen aus diesem Tagebuch, auch andere Texte von Adrienne Thomas mit Bezug zu Lothringen. (RP)