Bitte zweimal lesen – Dirk Walter über Regionales und über Überregionales

Der Verfasser argumentiert in den Beiträgen dieses Bandes nie explizit politisch, lässt nur hin und wieder seine Antipathie gegen „die“ 68er anklingen. Seine Kritik ist überwiegend von literarischen Gesichtspunkten und von grundsätzlichem Wohlwollen gegenüber der Regionalliteratur geprägt. Er wendet sich gegen das Vorurteil, dass regionale Literatur immer etwas Provinzielles, Zweitrangiges sein muss.

Er findet es ergiebiger, hier „Entdeckungen zu machen, Lesenswertes zur Kenntnis zu nehmen, es gar interpretierend zu beleuchten“. Walters Paradebeispiele sind beispielsweise der St. Ingberter Autor Martin Bettinger, der nach „Ein Galgen für meinen Vater“ (2014) leider das Schreiben aufgegeben hat; der saarländische Kunstpreisträger Alfred Gulden aus Saarlouis; natürlich auch der Kunstpreisträger Johannes Kühn, von dem Walter allerdings meint, dass er „nicht mehr so stark“ sei wie früher; oder der saarpfälzische Autor Heinrich Kraus, dessen Mundartliteratur für Walter „weit jenseits der Provinzialität“ angesiedelt ist.

Bei Büchern, die sich ihm und, wie er vermutet, auch dem Leser schwer vermitteln, rät Dirk Walter immer wieder geduldig zu einer zweiten Lektüre. Als Anwalt der Regionalliteratur übt er selten wirklich scharfe Kritik. Er versucht auch Autoren vor der Verdammung durch die Nachwelt zu retten, die wegen ihrer Verstrickung in die nationalsozialistische Ideologie verfemt sind. In einer Fußnote zu seiner Besprechung von Torsten Mergens Doktorarbeit über Karl Christian Müller wird Walter grundsätzlich: „Mir scheinen die Schreibtischurteile Nachgeborener äußerst fragwürdig, die der Kenntnis aller schrecklichen Resultate entspringen und nun simpel rückprojizierend gefällt werden. Wer den Ereignissen zeitlich nahe steht, weiß keineswegs so klar, worauf sie hinauslaufen werden, in was er hineinschliddert, hat beileibe keinen Anteil an allem Unrecht, das geschieht, und besitzt zwangsläufig nur ein getrübtes Einschätzungsvermögen.“

„Über Regionales“ schreibt Dirk Walter nur ersten Teil des Buches, in dem er vor allem Buchbesprechungen versammelt, die er in den letzten Jahren für die Vereinszeitschrift „Die neueste Melusine“ geschrieben hat. Zum zweiten enthält der Band Beiträge über Überregionales, angefangen mit einem Ausschnitt aus Walters Dissertation über Erich Kästner aus dem Jahr 1977; drittens finden wir unter der Überschrift „Über Pädagogisches“ Artikel und Vorträge, die mit Walters Tätigkeit am Gymnasium und in der Lehrerfortbildung zusammenhängen; und zuletzt eigene literarische Versuche der satirisch-komischen Art, etwa Grönemeyers „Männer“-Song, umgetextet auf „Lehrer“.

Der Band will „eine Art publizistischer Ernte“ seines Autors mit Rückblick auf das Schaffen von mehr als vierzig Jahren sein. Insofern ist es nicht nur ein Buch über Regionales und über Überregionales, sondern auch ein Buch über Dirk Walter. (RP)

Dirk Walter: Über Regionales. Zur deutschsprachigen Literatur der Großregion und (einiges) darüber hinaus. St. Ingbert 2019 (= Die Neueste Melusine Sonderband 2)


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