Landkreis Saarlouis

Überherrn Teufelsberg Panorama

Der Landkreis Saarlouis, der im Osten an Frankreich angrenzt, ist der „französischste“ Kreis des Saarlandes. Im Mittelalter gehörte das Gebiet zum deutschsprachigen Teil des Herzogtums Lothringen. Die Stadt Saarlouis ist eine originär französische Gründung, Ludwig der XIV. ließ die Stadt in der Saaraue aus dem Boden stampfen. Die Anlage als Garnisonstadt prägt bis heute das Stadtbild.

Rund hundert Jahre lang blieb Saarlouis eine französische Enklave auf deutschem Terrain. Danach teilte das Gebiet weitgehend das saarländische Hin und Her zwischen Deutschland und Frankreich. Zeitweise war Französisch die Amtssprache; die Bevölkerung hat aber immer ihren moselfränkischen Dialekt gesprochen. Die Stadt Saarlouis machte mehrere Umbenennungen mit: Ursprünglich nach dem französischen Sonnenkönig benannt, hieß die Stadt im Gefolge der Französischen Revolution Sarrelibre; die Nazis wollten die Erinnerung an alles Französische tilgen und benannten sie um in Saarlautern; seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs heißt Saarlouis wieder Saarlouis.

Naturlandschaften und Großindustrie

Einen Landkreis Saarlouis gibt es seit 1816, als das Gebiet nach der endgültigen Niederlage Napoleons an Preußen gefallen war. Heute ist Saarlouis mit rund 195.000 Einwohnern der bevölkerungsreichste Landkreis des Saarlandes. Es ist ein Landkreis der Gegensätze. Charakteristisch ist das „Nebeneinander und Ineinander von Naturlandschaften und Großindustrie“ (Hans Jörg Schu). Auf die Industrieschiene im Saartal reihen sich die Grube Ensdorf, die Fordwerke, die Dillinger Hütte und der Saarhafen Saarlouis-Dillingen. Daneben hat aber auch die Landwirtschaft weiterhin ihre Bedeutung.

Der historisch Interessierte findet Überbleibsel aus gallo-römischer Zeit, aus dem Mittelalter und dem 17., 18., 19.Jahrhundert; aber im Landkreis wird auch die aktuelle Kunst gepflegt.

Saarlouis, die Hauptstadt, dominiert den Landkreis, was historische Substanz und aktuelle Attraktivität angeht. Manche nennen Saarlouis sogar die „heimliche Hauptstadt“ des Saarlandes. Auch heute noch spürt man in der Stadt allenthalben französischen Flair. Seinen hohen Freizeitwert verdankt Saarlouis wohl auch einem Handicap: Erst Ende des 19. Jahrhunderts kaufte die Stadt das Militärgelände und ließ die Festungsmauern niederreißen, die bis dahin die Entwicklung eingeengt hatten. Zu spät: Andere Städte und Gemeinden hatten schon ein halbes Jahrhundert früher auf die Industrialisierung gesetzt. Nach der Erschließung durch die Eisenbahn (Eröffnung der Saarstrecke 1858) konnten viele Unternehmen im Kreis, vor allem die Dillinger Hütte, sich neue Absatzmärkte erschließen und Pendler als Arbeitskräfte gewinnen. Dillingen wurde zur Hüttenstadt, Saarlouis blieb nichts übrig, als seine bisherigen Funktionen als Dienstleistungs- und Handelszentrum auszubauen. Und so konnte Dillingen nur zweiter Sieger im Schönheitswettbewerb mit der ewigen Rivalin Saarlouis werden.

Römischer Wehrturm in Pachten

Römischer Wehrturm in Pachten

Vom gallo-römischen Quellheiligtum bis zum Heimatmuseum

Dafür reichen in Dillingen die historischen Wurzeln viel weiter zurück. Im Stadtteil Pachten dokumentieren Mauerreste und Ausstellungsstücke im Heimatmuseum, dass hier im ersten Jahrhundert n. Chr. ein römisches Kastell namens Contiomagus gestanden hat. Andernorts, in Ihn (Gemeinde Wallerfangen) belegt ein Quellheiligtum das – jedenfalls in religiöser Hinsicht – tolerante Nebeneinander von römischen Eroberern und einheimischen Kelten, wurden hier doch gleichermaßen die keltischen Göttinnen Sirona und Rosmerta mit den römischen Gottheiten Apollo und Merkur verehrt.

Die Oranna-Kapelle in Berus erinnert an die frühe Zeit der Christianisierung. Die heilige Oranna war der Legende nach Tochter des iroschottischen Vizekönigs Frochard und hat im MoselSaar-Raum missioniert. Die Kapelle im Saargau ist ihre Grablege.

Teufelsburg

Teufelsburg

Bei der Teilung des Karolingerreiches wurde der Landstrich 925 n. Chr. Teil des ostfränkischen Reiches, des späteren Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die Teufelsburg, die Siersburg und das befestigte Städtchen Berus waren herzoglich-lothringische Lehen. Während in Berus noch Reste der mittelalterlichen Festungsanlage und ein Bannhaus aus dem 16. Jahrhundert zu sehen sind, bieten Teufelsburg und Siersburg zusätzlich herrliche Blicke in die Flusstäler. Im Wallerfanger Emilianusstollen wurde seit dem Mittelalter das Kupfermineral Azurit abgebaut; mit dem daraus gewonnenen „Wallerfanger Blau“ soll auch Albrecht Dürer gemalt haben.

Ruine der Siersburg

Ruine der Siersburg

Nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde zur Verbesserung der Lebensverhältnisse die Landwirtschaft neu geordnet, an die Stelle der bislang üblichen Streuhöfe traten nun auf dem Saargau die geschlossenen Reihendörfer mit ihren typischen Lothringer Bauernhäusern. Zeugnis davon gibt das Haus Saargau, das der Landkreis Saarlouis in Wallerfangen-Gisingen erworben, restauriert und als ländliches Museum eingerichtet hat. Darüber hinaus findet man in zahlreichen, auch kleineren Gemeinden von geschichtsbewussten Amateuren gepflegte Heimatmuseen.

Landmarken und aktuelle Kunst

Eine zentrale Einrichtung für das Saarland und darüber hinaus ist das Zeitungsmuseum in Wadgassen. Zentral im konkreten Sinn ist eine Stelle im Wald bei Falscheid, Ortsteil von Lebach: Sie ist der geographische Mittelpunkt des Saarlandes; auf einem Findling ist eine Tafel mit entsprechender Inschrift angebracht. Einmalig fürs Saarland ist die Tropfsteinhöhle in Niedaltdorf (Gemeinde Rehlingen-Siersburg). Für Generationen saarländischer Schüler das Ziel von Klassenausflügen, ist sie seit Jahren für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich, soll aber 2019 wiedereröffnet werden.

Sendeanlage von Europe 1

Sendeanlage von Europe 1

Ein Highlight der Gegenwartsarchitektur sind die Sendeanlagen von Europe 1 in Überherrn. Die Senderhalle in Form einer aufgeklappten Jakobsmuschel stammt aus den 1950er Jahren und gilt als eines der ungewöhnlichen Bauwerke seiner Zeit. Nachdem der französische Privatsender seinen Betrieb eingestellt hat, sucht die Gemeinde nach einer neuen Verwendung für das Bauwerk.

Eine neuere Landmarke ist das Saar-Polygon in Ensdorf. Die weithin zu sehende begehbare Groß-Skulptur aus feuerverzinktem Stahl auf der Bergehalde der Grube Duhamel erinnert an das Ende des Steinkohlebergbaus im Saarrevier 2012.

Die aktuelle Kunst hat im Landkreis ihre prominenten Plätze. In Saarlouis sammelt und archiviert das von Jo Enzweiler initiierte Institut für aktuelle Kunst Daten über Künstlerinnen, Künstler und das Kunstgeschehen im Saarland, bereitet das Material auf und stellt es über unterschiedliche Medien der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung. Und in der Ludwig Galerie Saarlouis in Kaserne VI bietet die Stadt zusammen mit dem Kooperationspartner, der Peter und Irene Ludwig Stiftung Aachen, ein vielgestaltiges Ausstellungsprogramm.

Auch der Stahl-Standort Dillingen ist seit einigen Jahren Kunst-Standort. In der Saaraue und am Zusammenfluss von Prims und Saar entstanden 1990 im Rahmen eines Künstlersymposions eine Reihe großer stählerner Kunstwerke. In der City ragt ein imposantes Werk des amerikanischen Stahlkünstlers Richard Serra, der in Dillingen seine Skulpturen fertigen lässt, in den Himmel.

Alte und neue Heimatliteratur

Literarisch sind weite Teile des Landkreises in der Breite noch nicht so richtig entdeckt worden. Und das, obwohl es hier bedeutende Autoren gibt, die sich mit Heimatthemen befassen.

Der aus Wadgassen stammende katholische Priester Johannes Kirschweng (1900-1951) war nach dem Zweiten Weltkrieg einer der führenden Schriftsteller an der Saar. Seit Ende der 1920er Jahre war er als Schriftsteller hervorgetreten. In seinen Werken, die einem traditionellen Erzählen verpflichtet sind, spürt er in Vergangenheit und Gegenwart den Eigenheiten seines ländlichen Umfeldes und des Saarlandes nach. Seine politische Haltung zur Zeit des Nationalsozialismus ist nicht über alle Zweifel erhaben; danach aber hat er sich vehement zum europäischen Gedanken bekannt. Heute ist Kirschweng fast vergessen, aber Mitte der 1970er Jahre ist im Zeichen des erwachenden saarländischen Regionalbewusstseins das Interesse an ihm noch einmal aufgeflammt, wovon eine damals gestartete Werkausgabe in 11 Bänden zeugt. Auf dem Vorplatz des Wadgasser Deutschen Zeitungsmuseums erinnert eine große Plastik des Bildhauers Lothar Meßner an den Schriftsteller.

In den 1970er Jahren war es Alfred Gulden, der die moselfränkische Mundart literaturfähig machte. Bis dahin hatte der Verwendung der Mundart in Gedichten und Erzählungen eher etwas amateurhaft Biederes und Verklärendes angehaftet. Gulden, 1944 in Saarlouis geboren, schreibt im Dialekt seiner Mutter, die aus Saarlouis-Roden stammt. In seiner Dialektdichtung bewahrt er die Erinnerung an untergegangene Wörter und Gegenstände auf, aber er wendet kritisch die den Leuten abgelauschte Sprache auch gegen ihre Sprecher. Darüber hinaus sucht Gulden auch die Stoffe seiner Erzählungen immer wieder aus seinem Umfeld (exemplarisch: „Die Leidinger Hochzeit“, 1984) und befasst sich explizit mit der Geschichte und Fragen der regionalen Identität („Nur auf der Grenze bin ich zu Haus“, 1982). Damit repräsentiert er einen neuen, aufgeklärten Typus des Heimatdichters.

Daneben hat Gulden auch ein Werk in hochdeutscher Sprache geschaffen, das unabhängig von diesen Heimatthemen ist. Er ist äußerst produktiv auch als Film-, Hörspiel-, Bühnenautor und Liedermacher. 1994 erhielt Alfred Gulden des Kunstpreises des Saarlandes, seit 2019 ist er Ehrenbürger von Saarlouis.

Als Heimatschriftsteller der modernen Art sticht unter den Autoren der folgenden Generation Andreas H. Drescher (Jahrgang 1962) hervor, 2017 Kunstpreisträger des Landkreises Saarlouis. Während er in „Die Rückkehr meines linken Armes“ (2016) in 28 Porträts „Geschichten einer Gegend“ (so der Untertitel) erzählt, stellt er in seinem ersten Roman, „Kohlenhund“ (2018) mit der Lebensgeschichte seines Großvaters die Frage nach der Identität der Grenzlandbewohner. (RP)