Johann Wolfgang von Goethe

geb. 28. Aug. 1749 in Frankfurt a.M., gest. 22. März 1832 in Weimar

Kupferstich rundWährend seiner Straßburger Studentenzeit unternimmt der noch völlig unbekannte Johann Wolfgang Goethe für rund zwei Wochen (22. Juni bis 6. Juli 1770) eine Reise in die Gegend an der Saar, namentlich Saarbrücken, Dudweiler, Friedrichsthal, Neunkirchen. Im 10. Buch seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ berichtet er relativ ausführlich darüber. Immerhin wird er hier, wie er im Abstand von über vierzig Jahren notiert, „nun eigentlich in das Interesse der Berg[bau]gegenden eingeweiht, und die Lust zu ökonomischen und technischen Betrachtungen, welche mich einen großen Teil meines Lebens beschäftigt haben, zuerst erregt“. ZITAT

In Dudweiler besucht Goethe den Brennenden Berg, besucht die Grube „woraus die berühmten Dudweiler Steinkohlen gezogen werden“, und macht die Bekanntschaft eines „Kohlenphilosophen“. Goethe beschäftigt sich tatsächlich in seinem späteren Leben jahrzehntelang mit Fragen des Bergbaus und der Geologie; so versucht er als Minister in Weimar, den Kupfer- und Silberbergbau in Ilmenau wiederzubeleben – allerdings ohne Erfolg. Mineralogische Spuren finden sich in vielen seiner Dichtungen.

Die Reise durch das Elsass an die Saar unternimmt der per Pferd gemeinsam mit zwei Kommilitonen. Goethe ist nicht der Initiator, Anlass der Reise ist der Studienabschluss des Kommilitonen Johann Konrad Engelbach; Goethe und ein weiterer Studienkamerad, Friedrich Leopold Weyland, begleiten ihn bis nach Saarbrücken, wo Engelbach bereits in fürstlichen Dienst aufgenommen ist. Goethe ist Gast des nassau-saarbrückischen Regierungspräsidenten Hieronymus Maximilian von Günderode, der ihn und Weyland während der drei Tage ihres Saarbrücken-Aufenthaltes beherbergt.

Im Rückblick zeigt Goethe sich angetan von der Stadt sowie vom Schloss und von dem, was man ihm über Wilhelm Heinrich, den Vorgänger des jetzigen Fürsten, erzählt hat.
Im April 1999 ist Harald Gerlach (1940-2001) Goethes Reiseweg von Straßburg aus zu Fuß nachgegangen, und zwar für eine Sendereihe der Literaturabteilung des Saarländischen Rundfunks. Gerlach war in der DDR als Lyriker und Romancier hervorgetreten; er war als „ein leidenschaftlicher Spaziergänger“ (Ralph Schock) schon mehreren Dichtern nachgewandert.

Goethes Lili in Saarbrücken

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Goethes Jugendliebe Lili

Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem studentischen Abstecher ins Land an der Saar gerät Saarbrücken indirekt noch einmal in Beziehung zu Goethe, und zwar über seine Jugendliebe Lili, mit der er sich 1775 verlobt hat. Die Frankfurter Bankierstochter Lili (Anna Elisabeth) Schönemann ist, wie der 80jährige Gothe sagt, „die erste, die ich tief und wahrhaft liebte, und vielleicht war sie auch die letzte“. In „Dichtung und Wahrheit“, 7. Buch, schreibt er: “Ein unbezwingliches Verlangen war eingetreten, ich konnte nicht ohne sie, sie nicht ohne mich sein.” Mehrere Frauengestalten, u.a. Stella im gleichnamigen Drama, soll er nach ihrem Vorbild geschaffen haben, in seinen “Lili- Gedichten” verarbeitet er die Romanze. Die Verlobung wird auf Betreiben beider Elternpaare gelöst, Lili heiratet den elsässischen Bankier Freiherrn Bernhard von Türckheim, der später Bürgermeister von Straßburg und danach Präsident des dortigen Konsistoriums wird. Während des „Terreurs“ 1793 wird die Familie bedroht und zieht sich ins lothringische Postorf (Postroff) zurück (→ Literaten an der Französischen Saar: Postroff). Nach anderthalb Jahren, im Juli 1794, wird die Lage auch dort unsicher, und Türckheim flieht über Saarbrücken und Ottweiler nach Heidelberg. Der Familie lässt er die Nachricht zukommen, dass der Weg über Saarbrücken frei ist. Lili macht sich mit ihren fünf Kindern, dem Hofmeister und einer Wärterin auf den Weg.

Der 14jährige Sohn Fritz schildert die Flucht so: „Dienstag des Abends um sechs Uhr verreisten wir von unserem Aufenthaltsorte, ein jeder seinen kleinen Bündel auf dem Rücken, marschierten die ganze Nacht hindurch und kamen des Morgens um neun Uhr glücklich bei St. Arneval, einem kleinen Dorfe bei Saarbrücken, an. Nachdem wir ein wenig ausgeruht, gegessen und alsdann geschlafen hatten, machten wir uns wieder auf den Weg (es war vier Uhr) und gingen durch Saarbrücken, St. Johann und die französischen Vorposten durch, ohne daß nur ein Hahn nach uns krähte. Wir kamen auf einer Glashütte an, die dem Herrn Wagner zubehört, wo man uns nur ein wenig Stroh geben konnte, auf das wir uns legten und auf dem wir so gut schliefen als in dem besten Federbette.“ Am folgenden Morgen geht es dann auf Leiterwagen nach Ottweiler, von dort nach Kaiserslautern und schließlich nach Erlangen.

Lili selber erwähnt in einem Brief aus Kaiserslautern vom 10. oder 11. Juli 1794, dass sie „nach einer 15stündigen Pilgrimschaft […] glüklich durch alle Französische vorposten“ in ihr Vaterland gelangt sei. – Die Pfälzer Autorin Ruth Istock hat 2005 im Blieskasteler Gollenstein-Verlag die Erzählung „Goethes Lili“ veröffentlicht.

Der Dichter im Felde

Als Herzog Carl August von Sachsen-Weimar Eisenach, seit 1787 Befehlshaber eines preußischen Regiments, im Frühjahr 1792 mit dem Heer der kaiserlichen und preußischen Alliierten zum Feldzug gegen das revolutionäre Frankreich aufbricht, bittet er Johann Wolfgang von Goethe, ihn zu begleiten. Auch wenn Goethe, seinerzeit Minister ohne Geschäftsbereich, dieser Unternehmung von vornherein skeptisch gegenübersteht, ist die Bitte für ihn ein Befehl. Die Teilnahme an diesem so genannten 1. Koalitionskrieg führt den Dichter auch in die Region um Mosel und Saar und hat weitere kurze Erwähnungen in seinen Schriften zur Folge. Drei Jahrzehnte später nämlich verarbeitet er seine Erlebnisse unter den Titeln „Campagne in Frankreich 1792“ und „Belagerung von Mayntz“. In der „Campagne“ zeigt Goethe sich beeindruckt vom römischen Monument in Igel bei Trier: „Vielleicht war die Macht des Altertums nie so gefühlt worden als an diesem Kontrast: ein Monument, zwar auch kriegerischer Zeiten, aber doch glücklicher siegreicher Tage und eines dauernden Wohlbefindens rühriger Menschen in dieser Gegend.“ In diesem Zusammenhang (23. August) erwähnt Goethe die Saar als ein „ansehnliches Wasser“. Und unter dem 23. Oktober wird vermerkt, dass der Feind „nach kurzem Gefecht sich bis Merzig zurückzieht und nicht wieder erscheint“.

Bei seinen Erinnerungen stützt Goethe sich auf das Kriegstagebuch von Johann Conrad Wagner, Lakai und Vertrauter des Herzogs und Verwalter der Feldkasse. Bei Wagner fallen gleich mehrere Ortsnamen aus dem Gebiet des heutigen Saarlandes. Auch hier (21. u. 22. Oktober 1792) findet die Episode aus Merzig Erwähnung; Blieskastel firmiert als „Bleiscassel“ (25.9.1793). In Wiebelskirchen (siehe Neunkirchen-Wiebelskirchen) liegt schwer verwundet und stirbt Prinz Constantin, der Bruder des Herzogs (7.9., 11.9. u. 30.11.1793). Über den Brand des Schlosses von Saarbrücken wird lapidar berichtet (3.-8.10.1793): „Dieser Tage fiel im Grunde nichts außerordentl: vor, als daß die Francken [Franzosen] Schloß und Stadt in Saarbrück verbranden und gänzl: ruinirten, woran sie nicht zu verhindern waren.“

Auch Goethe kommt übrigens in Wagners Tagebuch vor, und zwar mit recht unheldischem Verhalten. Am 9. Oktober 1792 schickt der Herzog die Kranken, zu denen der Dichter eigentlich nicht zählt, nach Verdun, damit sie unter ein Dach kämen. Wagner notiert: „Herr Geheimen Rath v Goethe lag ebenfalls etwas daran aus dem üblen Wetter zu kommen, waren ebenfalls entschloßen, mit dahin zu gehen.“

Michel Ney bei Goethe einquartiert?

Scherenschnitt des jungen GoethesBeinahe wäre noch von einem saarländisch-weimeranischen Gipfeltreffen nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zu berichten. (Napoleon übrigens reist über Saarbrücken zum 4. Koalitionskrieg an, wo er am 27. September, begleitet von seiner Frau Joséphine und Außenminister Talleyrand, im Gasthaus „Hirsch“ ein Frühstück einnimmt. Auch auf dem Rückweg nach Paris passiert er am 25. Juli 1807 Saarbrücken, wo er mit Jubel begrüßt wird.)  Am Tag nach der Schlacht wird Napoleons aus Saarlouis stammender Marschall Michel Ney in Goethes Weimarer Haus am Frauenplan einquartiert. Das schreibt jedenfalls der Goethe-Biograph Richard Friedenthal. Dem sehr besorgten Goethe wäre das recht gewesen, die Anwesenheit eines Marschalls würde ihn vor Plünderungen durch die französischen Soldaten schützen. Doch der saarländische Ney-Biograph Ernst Klitscher sieht sich gezwungen, dem berühmten Kollegen zu widersprechen: Am Morgen des 15. Oktober sei zwar „ein Marschall“ im Hause Goethe erschienen, doch das sei nicht Ney, sondern Jean Lannes gewesen. Das Goethe-Haus sei zwar vermutlich zunächst als Ney-Quartier vorgesehen gewesen, doch der Saarländer habe sich für das repräsentativere Rathaus von Weimar entschieden. „Leider!“, sagt Klitscher: „So muss auf das Vergnügen verzichtet werden, Marschall Ney als hochgemuten Beschützer des ehrwürdigen Hauses am Frauenplan vorzustellen.“ (RP)